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Erklärung

Schluss mit den Retuschen! Die Türkei braucht eine moderne, demokratische Verfassung, die die kurdische Identität anerkennt!

Zur Zeit überarbeitet das türkische Parlament die Verfassung von 1982. Führende Juristen des Landes sind der Meinung, dass diese Verfassung nicht wirklich eine Verfassung sei, sondern ein Strauss von verschiedenen Verboten. Sie ist ein Produkt der Militärjunta des 12. September, das wie eine Zwangsjacke dem Land übergestülpt wurde.

Diese Verfassung hätte schon längst auf die Müllhalde der Geschichte geworfen und durch eine moderne, demokratische Verfassung ersetzt werden müssen. Doch sowohl die Junta, als auch die nachfolgenden, angeblich zivilen Regierungen haben dies unterlassen. Mit einigen kleinen, ihnen genehmen Veränderungen dann und wann haben sie sich begnügt und es vorgezogen, in Anlehnung an diese Verfassung das Land zu regieren.

Die angeblich zivilen Regierungen der Türkei denken in dieser Frage auch nicht anders als die Generäle. Auch sie scheuen sich davor, dem Volk Rechte und Freiheiten zuzuerkennen. Die jüngsten Vorbereitungen zur Verfassungsänderung geschehen durchaus nicht freiwillig. Vielmehr ist die Türkei gezwungen, gewisse Reformen, die für die Beitrittskandidatur in die EU erforderlich sind, durchzuführen.

Bedauerlicherweise ist bereits jetzt abzusehen, dass die geplanten Veränderungen weder für die Demokratisierung, noch für die Anerkennung moderner Rechte und Freiheiten das Potenzial tragen. Sie werden keine tiefgehende und umfassende Reform bringen. So wie sie es immer schon gemacht haben, werden diese Herren die Öffentlichkeit mit einigen Retuschen hinters Licht führen und die alte rassistische, faschistoide, militaristische Substanz bewahren.

Bereits das Vorwort und die Präambel dieser Verfassung nehmen einen auf Rassismus begründeten türkischen Nationalismus zugrunde. Das ist aus der Sicht der Werte der zivilisierten Welt unakzeptabel.

Zahlreiche Artikel dieser Verfassung reduzieren mit ihren Maßgaben und Klauseln die Grundrechte und -freiheiten auf ein Nichts. Es ist sogar unmöglich, einige dieser Artikel zu verändern. Mit der besonderen Bestimmung, die Änderungsvorschläge für bestimmte Artikel verbietet, wurden sogar nachfolgenden Parlamenten die Hände gebunden. Die von der Junta erlassenen Gesetze, die sogar selbst gegen die geltende Verfassung verstoßen, gehören dazu. Diejenigen politischen Parteien, die in ihr Programm demokratische Vorschläge aufgenommen haben, werden aufgrund dieser Verfassung und dieser „unveränderlichen Artikel“ geschlossen.

Interessant dabei ist, dass die Parlamente und zivilen Regierungen, die der Junta folgten, sich selbst als an diese Bestimmungen gebunden ansehen.

Kann es denn unter diesen Umständen überhaupt möglich sein, die Verfassung zu demokratisieren und demokratische Rechte und Freiheiten in diesem Land zu realisieren? Genau genommen ist diese Regierung und dieses Parlament nicht wirklich daran interessiert. Wenn doch, dann hätten sie sich nicht an die Junta-Verfassung gebunden und sich mit Respekt vor ihr verneigt. Diese von den Generälen dem Land übergestülpte Zwangsjacke mit dem Namen „Verfassung“ hat die vor dem Putsch geltende Verfassung außer Kraft gesetzt und das damalige Parlament und die Regierung entmachtet. Sie hat politische Parteien geschlossen, ihre Führer verhaftet, das gesamte Land in ein Gefängnis und eine Folterkammer verwandelt. Wenn die heutige Regierung und das Parlament tatsächlich an der Demokratisierung interessiert wären, dann würden sie die Junta-Verfassung durch eine demokratische und moderne Verfassung ersetzen.

Ohne die Anerkennung der kurdischen Identität durch die Verfassung und ohne die verfassungsrechtliche Anerkennung aller legitimen Rechte des kurdischen Volkes kann dieses Land kann nicht demokratisiert werden.

Was zur Zeit unter dem Titel „Verfassungsänderung“ passiert, ist lächerlich und nicht Ernstzunehmen. So ist zum Beispiel die Anerkennung der kurdischen Identität den Herren überhaupt nicht in den Sinn gekommen.

Sie planen anstelle der Aussage „die Sprache des Staates ist Türkisch“ die Aussage „die offizielle Sprache des Staates ist Türkisch“ zu setzen und versuchen dies als eine große Reform zu präsentieren. Doch selbst damit ist der zweitgrößte Koalitionspartner MHP nicht einverstanden und protestiert.

Das sind weder Schritte zur Demokratisierung, noch eine Bemühung zur Lösung der Probleme. Das türkische Regime versucht wieder einmal, die innere und äußere Öffentlichkeit irrezuführen. Wieder einmal spielt das türkische Regime mit der Ehre des kurdischen Volkes.

Diejenigen, die eine Föderation für die Hunderttausend Türken auf Zypern als zu wenig ansehen und eine Konföderation fordern, gehen mit ganz anderen Maßstäben an die Rechte und Forderungen der Kurden heran. Man vergegenwärtige sich, dass Türkei-Kurdistan einen Drittel des Territoriums der Türkei ausmacht und etwa ein Drittel der Population der Türkei, also mehr als 20 Millionen, Kurdinnen und Kurden sind. Ganz abgesehen von einer Föderation oder einer Autonomie wird ihnen sogar das Recht auf Bildung in der Muttersprache, Radio- und Fernsehsendungen in der Muttersprache sowie die Verwendung der Muttersprache bei offiziellen Diensten verweigert.

Das kurdische Volk hat seit zwei Jahrhunderten ständig für seine Freiheit gekämpft und für zahlreiche Aufstände einen hohen Preis gezahlt. Wir teilen der ganzen Welt mit, dass das kurdische Volk diesen Zustand und diese erniedrigende Haltung niemals akzeptieren wird! Auch wir möchten als Volk und Nation mit unserer eigenen Identität in unserem eigenen Land in Freiheit leben. Wir möchten Gleichheit, Rechte und Gerechtigkeit!

Das kann entweder in einem eigenen Staat realisiert werden, oder in einer Föderation mit zwei Republiken. Das kurdische Volk wird dies selbst, durch ihre legitimen Vertreter entscheiden. Falls die türkische Führung zu einer solchen Lösung auf der Basis der Gleichheit und Freiwilligkeit ja sagt, wird unsere Partei sich für eine föderative Einheit einsetzen.

Freunde und Feinde sollen wissen, dass wir niemals die Sklaverei und die Ungleichheit akzeptieren werden! Kein Druck und kein Betrug, keine Intrige und kein Verrat werden es schaffen, den Kampf des kurdischen Volkes zu stoppen und sein Erreichen der Freiheit zu verhindern!

Wer glaubt, ohne die Anerkennung aller legitimen Rechte des kurdischen Volkes, ohne eine gerechte Lösung der Kurdenfrage auf der Basis der Gleichheit, Frieden und Demokratie in der Türkei zu erreichen, gibt sich leeren Träumen hin. Das Beharren auf das Falsche bedeutet für beide Völker den Verlust von wertvoller Zeit.

Wir rufen die türkische Führung, Regierung und das Parlament wiederholt dazu auf, realistisch und gerecht zu sein und für eine vernünftige Lösung in den Dialog zu treten.

Die Verfassungsänderung ist eine Chance. Statt durch Retuschen die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen, muss eine neue, moderne, im wahrsten Sinne demokratische Verfassung geschaffen werden.

Eine Verfassung, fern von Rassismus, Chauvinismus und Militarismus!

Eine Verfassung, die alle Grundrechte und Freiheiten garantiert!

Eine Verfassung, die die kurdische Identität anerkennt und den Weg für eine gerechte Lösung der Kurdenfrage auf der Basis der Gleichheit öffnet!

2. Juni 2001

Kemal Burkay
Generalsekretär
Sozialistische Partei Kurdistans (PSK)

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