Angriffe
lösen die Probleme nicht! Das kurdische Volk in Südkurdistan
lebt nach dem zweiten Golfkrieg, seit gut 10 Jahren, in relativer Stabilität.
Dank dem UN-Beschluss und unter dem Schutz der Vereinten Schutzkräfte entzieht
sich der Norden oberhalb des 36. Breitengrades dem Machtbereich Saddam Husseins. Diese
Situation beunruhigt neben Saddam Hussein und den bekannten Feinden des kurdischen
Volkes, vor allen Dingen das militaristische und rassistische türkische Regime.
Seit zehn Jahren versuchen diese Kräfte mit allen Mitteln die in dieser Region
vorherrschende Stabilität und die Arbeit der dort tätigen Nationalregierung zu
behindern. Insbesondere nutzen sie die innerhalb der dortigen Kurden bestehenden
Streitigkeiten zu ihrem Vorteil und nehmen dieses zum Anlass, dort mit ihren Streitkräften
einzuziehen. Vielfach hat die türkische Regierung unter dem Vorwand, die
PKK befinde sich in diesem Gebiet, ihre Streitkräfte einmarschieren lassen und
dieses Gebiet von Zeit zu Zeit sogar bombardiert. Das türkische Regime ist
über den seit 1970 in Südkurdistan bestehenden Autonomiestatus ebenso beunruhigt
wie über das hier ansässige Parlament und über die Aktivitäten. Immer wieder betont
das Regime: „Auf keinen Fall werden wir die Entstehung eines kurdischen Staates
zulassen!“ Insbesondere jetzt, seitdem die USA einen Angriff auf den Irak plant,
wiederholen diese Kräfte immer wieder, dass die Kurden in Südkurdistan versuchen,
einen kurdischen Staat zu gründen. Die Führer der Kurden in diesem Gebiet
haben jedoch immer wieder betont, dass sie nicht die Absicht hegen, einen kurdischen
Staat zu gründen, vielmehr sei das Ziel eine föderale Ordnung im Irak zu erreichen.
Außerdem haben die USA und die mit ihnen verbündeten Engländer deutlich gemacht,
dass sie der Gründung eines kurdischen Staates in diesem Gebiet keine Erlaubnis
erteilen werden. Diesen deutlichen Worten und zahlreichen Bekräftigungen zum Trotz
sind die türkischen Führer nicht zufrieden. Sie bestehen auf ihrem „NEIN“ und
sind davon überzeugt, dass die Kurden einen eigenen Staat planen. Es ist
nicht zu übersehen: die Absicht der türkischen Führer und der chauvinistischen
und militaristischen Kräfte sind nicht allzu gut. Auf der anderen Seite,
was würde passieren, wenn ein kurdischer Staat gegründet werden würde? Wovor haben
diese Herren soviel Angst? Warum steht allen anderen Völkern die Gründung eines
Staates zu, nur nicht den Kurden? Warum darf es einen Staat für 100.000 zypriotische
Türken und für 2-3 Millionen Bosnier und Kosovaren geben, aber nicht für das 40-Millionen-Volk
der Kurden? Versuchen wir zu verstehen, warum man den 20 Millionen Kurden,
die innerhalb der Türkei leben, die Bildung in kurdischer Sprache verbietet. Neuerdings
sind private Kurdischkurse erlaubt, jedoch keine kurdischen Schulen). Aber was
wollen diese Herren von den Kurden, die nebenan, also außerhalb der Türkei leben?
Ist diese Feindschaft gegenüber den Kurden nicht beschämend? Sagen diese Herren
nicht, das Türken und Kurden Brüder und Schwestern sind? Als fadenscheiniger
Vorwand für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Irak und Südkurdistans
dient den Herren das Problem der turkmenischen Minderheit. In Wahrheit gibt es
solch ein Problem nicht. Die turkmenische Minderheit hat mehr Rechte als die 20
Millionen Kurden in Nordkurdistan und in der Türkei. Unter anderem haben sie ihre
eigenen Parteien, TV-Sender, Schulen und sonstige kulturelle Einrichtungen. Viel
wichtiger ist den chauvinistischen und militaristischen Kräften in der Türkei,
die Gebiete um Mossul und Kirkuk. Dieses Anliegen wird seit Jahren in den türkischen
Medien thematisiert. Der türkische Verteidigungsminister hat dieses gerade vor
ein paar Tagen unumwunden zur Sprache gebracht: „Kirkuk und Mossul gehören
eigentlich uns. Sie haben dieses Gebiet mit Gewalt aus unseren heiligen Volksgrenzen
genommen. Doch dieses Gebiet steht uns zu und dafür werden wir alles tun.“ Diese
Worte zeigen ganz offen, dass der türkische Staat kein Deut von seiner aggressiven
und einnehmenden Politik abgewichen ist. Es reicht nicht, das sie die 20 Millionen
Kurden innerhalb der Türkei unterdrücken, sie wollen die anderen Teile Kurdistans
nach dem Vorbild Nordzyperns besetzen und annektieren. Nach dieser unsäglichen
Aussage des Verteidigungsministers, erschien ein Artikel in der kurdischen Zeitung
„Brayeti“ (Brüderlichkeit) in Südkurdistan. In besagtem Artikel werden diese unglücklichen
Worte und Drohungen folgendermaßen kritisiert: „Die Türkei verfügt über
keinerlei Rechte auf Kirkuk und Mossul. Die Türkei hat keinerlei Rechte, sich
in die inneren Angelegenheiten des Iraks und Südkurdistans einzumischen. Wir wollen
nicht, dass dieses Gebiet ein Teil der Türkei wird. Der Grund dafür ist, das es
unseren Kindern nicht wie den Kindern in Istanbul, Izmir und Ankara gehen soll,
die hier als Schuhputzer arbeiten. Die türkischen Führer sollten Lehren aus der
Geschichte und aus den letzten Tagen des osmanischen Reiches ziehen. Sollten sie
dies nicht tun, so werden wir unser Land verteidigen und den Aggressoren zum Grab
machen ...“ Die türkischen Politiker und Medien konnten ihren Unmut über
das Erscheinen dieses Artikels nicht verbergen und titelten, „Wie kann Barzani
diese Aussagen machen!“ Wenn diese Herren unbequeme Worte nicht vertragen
können, so sollten sie davon Abstand nehmen, Drohungen gegen andere auszusprechen.
Doch ganz im Gegenteil werden diese Art von Drohungen und Angriffen seit Jahren
pervertiert. Warum mischen sie sich in die inneren Angelegenheiten des
Irak und Südkurdistans ein? Mit welchem Recht beanspruchen sie Kirkuk und Mossul?
Oder sehen sie das Erbe des Osmanischen Reiches als selbstverständlich an? Wenn
dem so sein sollte, dann sollten sie die Gebiete vom Irak bis Marokko, den Jemen
und das gesamte Arabien, das Gebiet bis zu den Toren Wiens, den Balkan und die
Krim erobern! Bekanntlich verhalten sich die kurdischen Führer in Südkurdistan
gegenüber ihren Nachbarn äußerst rational und vernünftig, stets darauf bedacht,
kompromissfähig zu handeln. Dem stehen die permanenten Angriffe und erniedrigenden
Aussagen der türkischen Verantwortlichen gegenüber den Kurden in Südkurdistan
entgegen, die sie über die Medien verbreiten. Waren sie gestern noch an der Besetzung
Nordzyperns interessiert, so richtet sich nun das Augenmerk dieser Herren auf
Kirkuk und Mossul. Verteidigungsminister Cakmakoglu ist ein Vertreter der
faschistischen Partei MHP in der Türkei. Menschen von diesem Schlag produzieren
sich in ständigem Chauvinismus und Rassismus. Und gerade jetzt, wo die Wahlen
in der Türkei anstehen, versuchen sie mit diesen Schlagworten auf Wählerfang zu
gehen. Wie die Väter dieser Herren, die turanistischen Envers und Talats, die
mit ihren wahnwitzigen Plänen im 1. Weltkrieg versuchten, Kaukasien und Mittelasien
zu erobern und damit die Zerschlagung des osmanischen Reiches einleiteten. Statt
sich über die Kurden aufzuregen, die ihrem Ärger über diese Provokationen Luft
machen, sollten wenigstens die vernünftigen Politiker in der Türkei versuchen,
positiven Einfluss auf ihre eigenen chauvinistischen und aggressiven Leute zu
nehmen. Aber es ist wie immer. Zum wiederholten Mal stellen sich diese
Herren blind gegenüber ihrer eigenen Ungerechtigkeiten und ihrer Bösartigkeit.
Mit Lügen, Unfairness und Drohungen versuchen sie die türkische Öffentlichkeit
zu täuschen und wollen so den Kurden Angst einjagen. Diese Herren sollten
endlich verstehen, dass Drohungen und aggressives Handeln nicht einer zeitgemäßen
Politik entsprechen. Mit dieser Art von Politik ist kein Staat zu machen, können
Probleme nicht gelöst werden. (Ein Sprichwort besagt: „Das Fleisch eines jeden
Vogels kann man nicht essen“) Natürlich ist es auch das Recht des kurdischen
Volkes, gegen solch aggressives Handeln sein Bestehen und sein Land zu verteidigen.
Wir als die Sozialistische Partei Kurdistans rufen zum wiederholten Mal
die türkische Regierung auf, diese Art von Politik, also Drohungen, Druck und
ihre ständige Androhung von Gewalt zu unterlassen und sich nicht in die inneren
Angelegenheiten in Südkurdistan einzumischen. Ihr Problem liegt nicht im
Süden, sondern im Norden. Sollten die 20 Millionen Kurden in Nordkurdistan innerhalb
der Grenzen der Türkei nicht in Recht und Freiheit leben können, so wird es auch
keinen Frieden und keine öffentliche Ruhe für die Türkei geben. Dieser beschämenden,
mittelalterlichen Politik muss ein Ende bereitet werden. Es muss möglich sein,
die Kurdenfrage auf der Basis von Gleichheit und Gerechtigkeit zu lösen. Nur
so kann dem Staat Frieden und Demokratie widerfahren, nur so ist Wirtschaftswachstum
und soziale Gerechtigkeit möglich. Probleme können nicht durch Ungerechtigkeit,
Aggression und Besetzungen gelöst werden. Ziel sollte eher eine friedfertige und
freundschaftliche Politik mit den Kurden und allen anderen Nachbarn sein. 26.
August 2002 Sozialistische Partei Kurdistans (PSK) |