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Zur Situation des kurdischen Volkes im europäischen Jahr gegen Rassismus
 
Die Europäische Union hat das Jahr 1997 zum Jahr der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erklärt. Dies war eine notwendige und überaus wichtige Entscheidung. Wir begrüßen sie.
Obwohl nunmehr bereits halbes Jahrhundert seit dem Niedergang des Faschismus in Europa vergangen ist, bleiben leider Fremdenfeindlichkeit und Rassismus traurige Bestandteile des Alltags in Europa. Die Facetten solcher Strömungen sind breitgefächert. Sie können sich richten gegen Menschen anderer Hautfarbe, gegen Ausländer, Zuwanderer, Asylbewerber, oder einfach nur gegen ethnische Gruppen, die eine andere Sprache sprechen oder einer anderen Glaubensrichtung angehören. Tätliche Übergriffe, Mißhandlungen und Brandlegungen sind hierbei sicherlich nur Extremfälle, die man nicht verallgemeinern sollte. Trotzdem machen sie deutlich, welchen Sumpf es noch auszutrocknen gilt. Und: Fast noch schlimmer sind tagtägliche, sublime und für die Betroffenen schmerzhafte Diskriminierungen und Zurücksetzungen. Wenn solche Abgrenzungstendenzen und xenophobe Strömungen sogar auf die Regierungspolitik einzelner Länder durchschlagen, ist höchste Vorsicht angebracht. In solchen Situationen müssen demokratische und auf Ausgleich bedachte Kräfte ihre Stimme erheben und zur Wachsamkeit aufrufen.
 
Es gilt, die Entscheidung der Europäischen Union mit Leben zu füllen. Soll sie nicht nur auf dem Papier stehen, muß die Öffentlichkeit intensiv über die Folgen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufgeklärt und auf die Gefahren eines nicht frühzeitigen Unterbindens solcher Strömungen hingewiesen werden.
 
Dies ist der Hintergrund, vor dem wir auf die heutige Situation des kurdischen Volkes eingehen wollen. Das kurdische Volk ist eines der Völker, das aufgrund seiner geographischen Lage, seiner Sprache und Kultur seit Jahrhunderten immer wieder Opfer von Rassismus und auch Fremdenfeindlichkeit wurde. Am meisten betroffen hiervon waren seit jeher die in der Türkei lebenden Kurden. Die schlimmsten Verhältnisse und massivsten rassistischen Praktiken herrschen in der Türkei, einem Land, das Mitglied des Europarates sowie der Europäischen Zollunion ist, und beabsichtigt, unter den herrschenden Bedingungen Vollmitglied der Europäischen Union zu werden. Insofern betrifft dieses Problem auch Europa, ist geradezu ein innereuropäisches Problem.
 
Die Kurden gehören zu einem der ältesten und zahlenmäßig größten Völker im Nahen Osten. Kurdistan ist flächenmäßig so groß wie Frankreich. Dieses Land ist aufgeteilt unter der Türkei, dem Iran, Irak sowie Syrien. Die Gesamtzahl der Kurden im Nahen Osten wird auf rund 35 Millionen geschätzt. Davon leben ca. 25 Millionen in ihrer historischen Heimat Kurdistan. Der größte Teil der restlichen 10 Millionen lebt infolge der Vertreibung, dem Krieg und der Migration in anderen Gebieten der genannten Staaten sowie in benachbarten Ländern oder in der Diaspora, darunter auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. In den europäischen Staaten leben zur Zeit nach Schätzungen ca. 1 Million Kurden als Arbeitsimmigranten und Flüchtlinge.
 
Kurden genießen leider in keinem der genannten Staaten die Freiheit. Ihnen wird das Recht auf die Selbstbestimmung, das von allen kleinen oder großen Nationen in Anspruch genommen wird oder werden sollte, nicht zuerkannt. Die Staaten, die die Reichtümer Kurdistans für sich nutzen, verbieten den Kurden ihre Sprache sowie das Bekenntnis zu ihrer Kultur. Unterricht in Kurdisch, Zeitungen oder Fernsehsendungen in ihrer Sprache, ja sogar teilweise das Hören ihrer Musik wird ihnen verweigert. Die Staaten verfolgen das Ziel, die Kurden zu assimilieren, und zwar im Irak zu Arabern, im Iran zu Persern und in der Türkei zu Türken.
Die Türkei ist zur Zeit das Land, in dem die massivsten Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Kurden praktiziert werden. Die Republik ist auf der Grundlage eines rassistischen Weltbildes entstanden. Aus diesem Grunde ist ihre Geschichte von einem extremen Nationalismus und Rassismus gekennzeichnet, die sich gegen andere Völker und ethnischen Gruppen außer den Türken richten.
 
 
Ethnische Säuberungen und Genozid
 
Das Osmanische Reich, konnte neben Anatolien jahrhundertelang den Balkan, Arabien und Kurdistan unter seiner Herrschaft halten. Die Hohe Pforte schlug in seinem Herrschaftsbereich den Widerstand all der Völker gegen die Repressalien und die Ausbeutung mit kolonialistischen Methoden nieder, bekämpfte sie in ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit. Diese Politik der Osmanen war jedoch nicht von einem rassistischen oder nationalen Verständnis geprägt. Die Existenz der Völker wurde nicht verneint, deren Sprache, Religion oder andere Unterscheidungsmerkmale wurden bis zu einem gewissen Grad respektiert. Diese Politik änderte sich mit dem Aufkommen des türkischen Nationalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Türkische nationalistische Kräfte übernahmen in der Endphase des Osmanischen Reiches die Macht und gründeten im Jahre 1923 die Republik Türkei. Schon Ende des 19. Jahrhunderts und während des 1. Weltkrieges begannen diese Kreise mit einer großen ethnischen Säuberung gegen andere Völker und führten sogar Pogrome durch, um das Land innerhalb der Grenzen der heutigen Republik gänzlich zu türkisieren.
 
Der Völkermord an den Armeniern während des 1. Weltkrieges kostete bis zu einer Million Menschen das Leben und genauso viele wurden zwangsdeportiert. Nach dem Krieg waren die Armenier in der Türkei nur noch eine verschwindend kleine Minderheit, wobei die meisten von ihnen in Istanbul lebten. Auch in Istanbul und in den westlichen Küstengebieten lebenden Millionen von Griechen wurden nach dem türkisch-griechischen Krieg, der dem 1. Weltkrieg folgte, dezimiert. Sie wurden gezwungen, Anatolien und Thrazien zu verlassen. Die verbliebene griechische Minderheit in Istanbul hielt den staatlichen Repressalien nicht mehr stand und verließ schließlich auch das Land.
 
Die türkische Administration hat mit einer gezielten Politik die Armenier- und Griechenfrage durch Genozid und Vertreibung beseitigt. Innerhalb der heutigen Grenzen blieben muslimische Minderheiten wie die Lasen, Tscherkessen, Araber sowie die Kurden. Gegenüber diesen Völkern begann der Staat eine massive Assimilationspolitik. Alle anderen Sprachen und Kulturen außer der türkischen wurden verboten, eine systematische Türkisierungspolitik wurde zum erklärten Ziel.
 
Lasen, Tscherkessen und Araber lebten verstreut in unterschiedlichen Siedlungsgebieten und bildeten dort jeweils nur eine kleine Minderheit. Daher konnten sie dieser Assimilationspolitik nicht standhalten. Kurden jedoch bildeten in ihrer Heimat die überwiegende große Mehrheit. Der Innerhalb der Grenzen der Türkei verbliebene Teil Kurdistans umfaßt rund ein Drittel des Staatsgebietes. Die Kurden hatten ihre ethnische Identität erlangt und widersetzten sich daher gegen diese Politik. Schon zu Zeiten des Osmanischen Reiches im 19. Jahrhundert führten Kurden einen ständigen Kampf um ihre Unabhängigkeit. Von Osmanen und dem Iran zugleich bedrängt, erlitten sie jedoch immer wieder Niederlagen. Sie wehrten sich auch nach der Gründung der Republik Türkei gegen die Türkisierungspolitik und forderten ihre nationalen Rechte. Aus diesem Grund fanden allein nach der Republikgründung über zwanzig kurdische Aufstände statt. Der erste und zugleich einer der größten war der Aufstand von Scheich Said im Jahre 1925, bei dem die Kurden ihren Willen zur Unabhängigkeit bekundeten. Alle Aufstände wurden jedoch vom türkischen Militär blutig niedergeschlagen. Die Kurden, umgeben von den Staaten, die ihr Land unter sich aufgeteilt hatten und ihnen gegenüber feindlich gesinnt waren, hatten ohne Unterstützung keine Chance. Daher wurden sie jedesmal besiegt. In den irakischen und iranischen Teilen Kurdistans herrschten die gleichen Verhältnisse. Das Aufbegehren des kurdischen Volkes hat aber nicht aufgehört und wird noch heute in diesen drei Staaten weitergeführt.
 
 
Die Türkei mißachtete den Lausanner-Vertrag
 
Die Politik der Zwangsassimilation und des Leugnens der Existenz von Kurden verstößt auch gegen den Lausanner Vertrag vom 24. Juli 1923, auf dessen Fundamenten die Republik Türkei aufgebaut wurde. Die Vertreter der türkischen Seite während der Lausanner Konferenz hatten die Existenz der Kurden nicht in Frage gestellt oder geleugnet. Der Verhandlungsführer der türkischen Delegation, Ismet Inönü, sprach ausdrücklich davon, daß "die Kurden keine Minderheit seien und daher wie die Türken einen Hauptbestandteil der Republik darstellten. Aus diesem Grunde repräsentiere die Regierung in Ankara sowohl die Türken als auch die Kurden". Den damals gleichbehandelten und als eigenständige Nation angesehenen Kurden wurden kurz nach der Ausrufung der Republik nicht einmal die Minderheitenrechte zuerkannt. Auch der Paragraph 39 des besagten Vertrages, der allen ethnischen Minderheiten die freie Anwendung ihrer eigenen Sprache in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zusichert, wurde mißachtet. Neben der kurdischen Sprache wurden auch die Sprachen der Minderheiten wie Lasen, Tscherkessen und Araber gänzlich verboten.
 
 
Die Republik Türkei hat sich auf einer rassistischen Weltanschauung formiert
 
Der türkische Staat formierte sich ideologisch und in Bezug auf das Erziehungs- und Bildungssystem auf einer rassistischen Grundlage. Deren Umsetzung wurde schon vom Staatsgründer Mustafa Kemal (Atatürk) begonnen.
 
Es gab zahlreiche Reden und Texte Atatürks, die dieses Weltbild prägten, darunter der Spruch "Glücklich sei der, der sagen kann, ich bin ein Türke!". Dieser Spruch steht heute noch insbesondere im kurdischen Siedlungsgebiet an allen Schultoren, geschrieben auf riesigen Flächen sogar an den von Weitem sichtbaren Berghängen.
Ein anderer sehr häufig zitierter Spruch Atatürks lautet: "Ein Türke ist so viel wert wie die ganze Welt!"
 
Die berühmte "Widmung Atatürks an die Jugend" fängt an mit "Hey, türkische Jugend" und endet mit dem Satz "Die Allmacht, die Du brauchst, existiert in dem in Deinen Adern fließenden edlen Blut!". Die Überlegenheit der türkischen Rasse und die Edle des türkischen Blutes kommen in der Literatur und Alltagssprache sehr oft vor. So werden Linke, Oppositionelle, usw., die Meinungen vertreten, welche mit der sogenannten "nationalen" Politik nicht übereinstimmen, öfters als "Blutlose" oder "Menschen verdorbenen Blutes" bezeichnet.
 
Seit Jahrzehnten müssen Schüler in allen Grundschulen des Landes jeden Morgen vor dem Unterrichtsbeginn einen Eid leisten, den sie im Chor sprechen müssen. Dieser Eid beginnt mit "Ich bin Türke, aufrichtig und fleißig" und endet mit dem Satz "Mein Leben ist dem Türkentum gewidmet!"
 
In Grund- und Mittelschulen sind die Unterrichtsbücher voll solcher rassistisch geprägter Sätze und Gedichte. Gedichte dieser Art werden bei allen nationalen Feierlichkeiten in Fernseh- oder Radiosendungen vorgetragen. Eines davon fängt mit dem Spruch "Ich bin ein Türke, meine Religion und Rasse sind erhaben!" an.
 
 
Ähnliche Züge trägt sogar die türkische Nationalhymne, in der die Rede von "meiner siegreichen Rasse" ist.
 
Während dieses Weltbild das Türkentum zu einer überlegenen Rasse erklärt, diskriminiert und erniedrigt es andere Völker, stellt sie somit als Feinde dar. Als 1930 der kurdische Aufstand von Ararat zerschlagen wurde, äußerte sich der damalige Justizminister Mahmut Esat Bozkurt auf einer Kundgebung zum Aufstand, daß "es sich dabei um einen Krieg zwischen zwei Rassen handele und dieser sei weder der erste noch der letzte" und führte weiter aus: "Wir leben im freiesten Land der Welt, nämlich in der Türkei. Der Türke ist der alleinige Herr und Besitzer dieses Landes. Diejenigen, die nicht zur reinen türkischen Rasse gehören, haben lediglich das Recht auf ein Diener- und Sklavendasein. Unsere Freunde sowie unsere Feinde, ja sogar die Berge sollen diese Tatsache wissen!" (19. September 1930, Tageszeitung Milliyet)
 
Der damalige Ministerpräsident und später Nachfolger von Atatürk als zweiter Staatspräsident der Türkei, Ismet Inönü, äußerte sich bei der Eröffnungsrede einer Eisenbahnlinie in der Provinz Sivas zum kurdischen Aufstand wie folgt: "In diesem Land hat nur die türkische Nation das Recht ethnische sowie rassische Rechte einzufordern und sonst niemand." (Tageszeitung Milliyet vom 31. August 1930).
 
Es können noch zahlreiche Beispiele dieser Art genannt werden. Auf höchstpersönliche Anordnung von Mustafa Kemal wurden wissenschaftliche Untersuchungen über die türkische Rasse durchgeführt. Während des Dritten Reichs, in dem die Nationalsozialisten die Macht ausübten, wurden aus Deutschland Instrumente zum Ausmessen von menschlichen Schädeln importiert. Männer, die kurzerhand einen Professorentitel erhielten, entwickelten auf Grund der Direktiven eine Reihe von unwissenschaftlichen Thesen in Bezug auf die typischen Merkmale der Türken wie Augenfarbe, Schädelform, Blutgruppe usw.
 
Wiederum wurden von türkischen Geschichts- und Sprachwissenschaftlern eigens nach Direktiven Atatürks hochinteressante Thesen der "Türkischen Geschichtstheorie" und "Sonnen-Sprach-Theorie" aufgestellt. Gemäß dieser Theorie stammen alle Völker von Türken ab und alle Sprachen vom Türkischen. Diese leeren Floskeln wurden jahrzehntelang als Thesen in der türkischen Geschichtsschreibung und Kulturforschung vertreten.
 
 
Die Verfassung von 1982 untermauert weiterhin das bestehende Weltbild
 
Das türkische Rechtssystem und die türkische Politik wurden jahrzehntelang auf dieser chauvinistisch-nationalistischen Grundlage entwickelt.
 
Das Präambel der Verfassung von 1982 beginnt mit den folgenden Sätzen: "Diese Verfassung, die die ewig währende Existenz des türkischen Vaterlandes und des türkischen Volkes festlegt und die unteilbare Einheit des hoch erhabenen türkischen Staates bestimmt, ... nach dem vom Gründer der Republik Türkei, dem unsterblichen Führer und unvergleichlichen Helden Atatürk entwickelten Nationalismusver- ständnis und seiner Revolution und Prinzipien ..." und wird weitergeführt: "Keine Meinung und Weltanschauung gegen die Geschichte des Türkentums und seiner moralischen Werte und gegen den von Atatürk festgelegten Nationalismus dürfen vertreten werden. Diese können auch keinen Schutz genießen."
 
Durch die oben aufgeführten Beispiele dürfte es ausreichend deutlich geworden sein, welcher Fanatismus und Chauvinismus sich hinter dem "Nationalismus Atatürks" verbergen. Diese heute noch gültige Verfassung bringt offen zum Ausdruck, daß sie diese Auffassung sichert und keine andere "Meinung und Weltanschauung" zuläßt.
 
Es ist offensichtlich, daß in einem solchen Land die Meinungs- und Glaubensfreiheit nicht existieren kann. Diese Verfassung macht deutlich, daß alle anderen Meinungen, Gedanken und alle von der zulässigen Richtung abweichenden Tendenzen im Namen des "Kemalismus und Nationalismus" verfolgt und vernichtet werden. Dieses wird seit Jahren so praktiziert. Zur Zeit sitzen aus diesem Grunde mehr als 170 Schriftsteller, Journalisten und Wissenschaftler in türkischen Gefängnissen. Gegen weitere Hunderte wird ermittelt. Sie müssen mit hohen Strafen rechnen. Das sind die konkreten Beispiele dieser Politik.
 
Der Eid, den die Abgeordneten gemäß Paragraph 81 der türkischen Verfassung im neugewählten Parlament leisten müssen, hat ebenso einen unzeitgemäßen nationalistischen und antidemokratischen Charakter. Im Rahmen dieses Eids müssen die Abgeordneten unter anderem folgenden Satz aussprechen: "Ich schwöre vor der großen türkischen Nation auf meine Ehre, daß ich den Prinzipien und der Revolution Atatürks treu bleiben werde!"
 
Diesen Eid müssen, wie alle anderen, auch die kurdischen Abgeordneten schwören. Sie müssen dadurch ihre Verbundenheit zu einer Weltanschauung, die unter anderem auf Kurdenfeindlichkeit basiert, und zur "großen türkischen Nation" bekunden. Als Folge dieses Eids wurde im Jahre 1991 die neugewählte kurdische Abgeordnete Leyla Zana von der aufgebrachten Mehrheit der anwesenden Parlamentarier als Landesverräterin verunglimpft und beschimpft, weil sie während ihrer Vereidigung von Völkerfreundschaft sprach. Frau Zana wurde später u.a. aus diesem Grund zusammen mit einer Gruppe kurdischer Abgeordneter, die ebenfalls neugewählt waren, aus dem Parlament heraus inhaftiert und zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die sie noch heute verbüßt.
 Newroz
 
Ein System, das auf der Leugnung der Existenz der Kurden, ihrer Sprache, Kultur und Geschichte basiert
 
Wie in der Vergangenheit unterliegt die kurdische Gesellschaft auch heute unterschiedlichen Maßnahmen der türkischen Rassentheorie und Weltanschauung. Die kurdische Sprache und Kultur unterliegen weiterhin einem Verbot. Nach der offiziellen türkischen Ideologie gibt es kein Volk mit der Bezeichnung Kurden! Somit haben Kurden auch keine Geschichte! Nach Ansicht des Regimes in Ankara gibt es keine Sprache Kurdisch, obwohl die kurdische Sprache trotz aller unvorstellbaren Repressalien sich bis heute am Leben erhalten konnte. Trotz eines breitgefächerten Spektrums und unzähligen Produkten einer reichen Folklore und schriftlichen Literatur in kurdischer Sprache gibt es nach der Behauptung dieses Regimes diese Sprache nicht.
 
Obwohl rund ein Drittel der Einwohner der Türkei, d.h. über 20 Millionen Menschen, Kurden sind, gibt es keine einzige Schule, in der Kurdisch unterrichtet wird. Die Anwendung der kurdischen Sprache im Bildungswesen ist verboten. Vor nicht langer Zeit hat die von Kurden ins Leben gerufene Stiftung KÜRT-KAV (Stiftung für kurdische Kultur und Forschung), die Initiative ergriffen, Kurdischkurse anzubieten. Trotz einer positiven Entscheidung des Obersten Gerichtshofes verweigert das Ministerium für nationale Erziehung die Genehmigung für diese Kurse.
 
In diesem Jahr versandte die amtierende türkische Innenministerin Meral Aksener ein Dekret mit dem Vermerk "streng geheim" an alle Gouverneure und Polizeipräsidien der Provinzen sowie Gendarmeriekommando- zentralen. Mit diesem Dekret ordnete sie an, "administrative und rechtliche Maßnahmen gegen solche Personen einzuleiten, die Alphabetisierungskurse in Kurdisch anbieten und Forschung mit dem Ziel betreiben, die kurdische Sprache zu verbreiten und sie zu einer Schriftsprache zu entwickeln." (Wochenzeitung HEVI, 8. März 1997, Istanbul)
 
 
Sendungen in Kurdisch und Verbreitung der kurdischen Musik sind nicht erlaubt
 
Fernseh- und Radiosendungen in kurdischer Sprache sind heute noch nicht möglich. Die Verwendung des Kurdischen auf politischen Veranstaltungen ist per Gesetz unterbunden und wird strafrechtlich verfolgt.
 
Die Herausgabe von kurdischen Musikkassetten wurde vor 5 - 6 Jahren pro forma genehmigt. De facto wird das Verbot jedoch aufrechterhalten. Fast jede Musikkassette wird sofort nach der Herausgabe beschlagnahmt oder von der Polizei willkürlich "sichergestellt". Den Musikgruppen oder Musikern sowie Künstlern, die kurdische Musik zu verbreiten versuchen, wird nur in Ausnahmefällen die Genehmigung für ein Konzert erteilt.
 
Die Herausgabe von Zeitschriften und Zeitungen in kurdischer Sprache war jahrzehntelang untersagt. Wenn jemand mit einem Buch festgenommen wurde, das in Kurdisch oder über Kurden geschrieben war, konnte er sogar mit einer Todesstrafe rechnen. Gegen diese Maßnahmen des Staates haben sich die kurdischen Intellektuellen in den vergangenen Jahren gewehrt. Auch der Druck von Seiten Europas auf die türkischen Regierungen hat zu einer vorübergehenden Lockerung der Administration geführt, so daß zur Zeit trotz Beschlagnahmen und Verboten Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher in Kurdisch veröffentlicht werden können. Mit allen Mitteln versucht die Administration jedoch, den Verkauf oder den Vertrieb dieser Publikationen zu verhindern. Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher, die ganz oder teilweise in Kurdisch geschrieben sind und in einer Metropole wie Istanbul unter sehr schwierigen Bedingungen herausgebracht werden können, werden entweder gleich nach dem Erscheinen oder wenn sie noch im Druck sind, beschlagnahmt. Diese Publikationen in Kurdistan zu vertreiben oder dorthin zu bringen, ist beinahe gefährlicher als Bomben zu transportieren. Autoren und Herausgeber dieser Publikationen werden zu Freiheits- und Geldstrafen in astronomischen Höhen verurteilt. In den letzten Jahren wurden zahlreiche engagierte Journalisten ermordet, Büros von Zeitungen überfallen und in Brand gesteckt und zerstört.
 
Türkische Intellektuelle und Schriftsteller, die diese Praktiken und Politik kritisieren, sind ebenfalls einer massiven Verfolgung ausgesetzt.
 
 
Begriffe wie "Kurde" oder "Kurdistan" sind aus dem türkischen Wortschatz verbannt
 
Das heutige System, das sich nach der Gründung der Republik im Staats- und Kulturwesen ausschließlich nach der türkischen Ethnie organisierte, ist nicht nur gegen die kurdische Sprache und Kultur vorgegangen, sondern hat als Konsequenz seiner Politik auch die Verwendung der Begriffe "Kurde/Kurdisch" und "Kurdistan" untersagt, um die kurdische Existenz zu auszulöschen. Diese Begriffe wurden aus Büchern und Lexika entfernt. Sogar die bekannte Blätterteigsspezialität wurde von "kurdisches Börek" in "türkisches Börek" umbenannt.
 
Auch heute gilt die Verwendung der Begriffe "Kurde/Kurdisch" und "Kurdistan" in veröffentlichten Texten, politischen Artikeln, Romanen oder Gedichten als eine strafbare Handlung und kann sogar als eine terroristische Straftat eingestuft werden. Gleichgültig, ob darin die Rede von der Natur, Schönheit oder Liebe ist. Die Verwendung eines dieser Wörter kann genügen, um Zeitungen, Zeitschriften und Bücher zu beschlagnahmen und die betroffenen Menschen vor Gericht zu stellen. In dieser Hinsicht können Vergleiche zwischen dem türkischen Rechtssystem sowie Hochschulwesen und den Strukturen der mittelalterlichen Inquisitionszeit gezogen werden.
 
In ihrem Bemühen, die kurdische Kultur und Geschichte aus dem Gedächtnis der Menschen zu löschen, hat das Regime in Ankara zahlreiche wertvolle literarische Werke aus früheren Epochen und teilweise auch wichtige historische Werke zerstört. Seltene historische Inschriften an den Denkmälern wurden unkenntlich gemacht. Diese Politik widerspricht dem heutigen Kulturverständnis und Zeitgeist. Es ist purer Vandalismus gegenüber der Menschheit.
 
 
Geographische Bezeichnungen und Namengebung in Kurdisch sind verboten
 
Das Regime hat alle, teilweise historischen, Namen kurdischer Dörfer, Groß- und Kleinstädte geändert und ihnen türkische Namen gegeben. Das hat zu einer erheblichen Verunsicherung und großen Begriffsverwirrung unter der kurdischen Bevölkerung geführt. Menschen haben Schwierigkeiten, die neuen Namen ihrer Nachbarorte, ja oft sogar ihrer eigenen Heimatorte richtig zuzuordnen.
 
Das Regime hat es nicht dabei belassen und hat den Kurden sogar verboten, ihren Kindern kurdische Namen zu geben. Früher gegebene Namen wurden oft sogar per Gerichtsbeschluß und durch Repressalien auf die Eltern zwangsweise geändert. Hinzu kommt, daß diese Praxis bis nach Europa ausgeweitet wurde.
 
 
Auch in Europa werden die kurdischen Migranten diskriminiert
 
Seit Jahren liegen den Standesämtern verschiedener europäischer Staaten Namenslisten von türkischen Auslandsvertretungen vor. Für die türkischen Staatsangehörigen ist Vorschrift, bei der Namengebung der Neugeborenen, einen Namen aus der vorgelegten Liste auszuwählen. Interessant ist, daß diese Praxis von vielen europäischen Ländern ohne Rücksicht auf das elementare Menschenrecht übernommen wurde, womit sie sich zum Mittel der Politik und antidemokratischen Praxis der Türkei machen lassen.
 
Eine andere antidemokratische Praxis europäischer Länder in Bezug auf die Kurden betrifft Fernseh- und Radiosendungen und den muttersprachlichen Unterricht in Kurdisch. Im allgemeinen haben die größeren Migrantengruppen die Möglichkeit, täglich oder wöchentlich von öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalten Programme in ihrer Muttersprache zu empfangen. Obwohl Kurden in den jeweiligen europäischen Ländern eine zahlenmäßig große Migrantengruppe bilden, wird ihnen mit der Begründung, daß sie keinen eigenen Staat haben, dieses Recht verwehrt. Dies ist insofern nicht hinnehmbar, weil dieses Recht nicht Staaten sondern Menschen zustehen sollte. Für Migrantengruppen, die einen eigenen Staat haben, besteht keine dringende Notwendigkeit. In einer Zeit der technischen Revolution haben die meisten dieser Migrantengruppen mit Eigenstaatlichkeit die Möglichkeit, via Satellit regelmäßig mehrere Heimatsender zu empfangen. Kurden haben nicht einmal diese Möglichkeit. Daher haben sie Fernseh- und Radiosendungen ihrer Gastländer nötiger als andere Migrantengruppen.
 
Weiterhin wird in europäischen Ländern den Migrantengruppen die Möglichkeit zum muttersprachlichen Unterricht in den öffentlichen Schulen angeboten, wobei auch dieses Recht - mit wenigen Ausnahmen - den Kurden verwehrt bleibt.
 
Als ob die Verbote und Unterdrückungsmaßnahmen der Staaten Türkei, Irak, Iran und Syrien nicht hinreichend wären, legen auch westliche Länder mit ähnlicher Praxis eine Haltung zugrunde, die dem europäischen Geist widerspricht. Wie kann diese Politik mit Motto der Europäischen Union "Europa der Regionen und Kulturen" vereinbar sein. Diese Haltung negiert leider die Zukunftsvision der zukünftigen Europa und trägt dazu bei, das Unrecht des Regimes in Ankara zu stärken.
 
 
Kurdische Nationalfarben dienen nach diesem Verständnis dem "Separatismus"
 
Die türkische Regierung betrachtet sogar die Kombination der kurdischen Nationalfarben grün, gelb und rot als Stärkung des "kurdischen Nationalismus". Für die Europäer lächerlich aber wahr ist, daß in manchen kurdischen Städten, wie z.B. Batman und Van, aus diesem Grund eine Zeitlang bei den Verkehrsampeln die grüne Farbe durch blau ersetzt wurde. Die türkischen Sicherheitskräfte entfernen sogar Schaufensterdekorationen, falls zufällig diese Farbkombination entstanden ist. Ein türkischer Angeordneter hat sogar eine Strafanzeige gegen einen Gärtner einer Parkanlage eingeleitet, weil er in dieser Grünanlage die Farbkombination entdeckt hat. Für den Abgeordneten hatte der Gärtner "Separatismus" betrieben.
 
Im Land herrscht eine Schizophrenie. Nachdem es den Machthabern mißlungen ist, diese Farben aus dem kurdischen Alltag zu verbannen, haben sie vor kurzem diese Farben für sich "entdeckt", sie kurzerhand zu türkischen Nationalfarben erklärt und während der kurdischen Neujahrsfeierlichkeiten Newroz am 21. März 1997 mit massiver staatlicher Propaganda unters Volk gebracht.
 
 
Parteien und Organisationen kurdischer Prägung haben keine Chancen zur freien Betätigung
 
Im Anbetracht der Tatsache, daß Kurden im gesellschaftlichen Leben ihre eigenständige Identität nicht kundtun können, versteht sich von allein. Auch ihre Organisationen mit politischer und kultureller Prägung, durch die sie ihren Rechten und Forderungen Nachdruck verleihen möchten, werden verfolgt und meistens verboten. Diesbezügliche Initiativen zählen strafrechtlich zu schweren separatistischen Taten, die "der Teilung des Vaterlandes und der Nation" dienen. In der Vergangenheit wurden von Kurden ins Leben gerufenen Kulturvereine sogar verboten, deren Mitglieder schweren Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und zu hohen Strafen verurteilt.
 
Kritik an der bislang geführten Kurdenpolitik, das Fordern kultureller Rechte für Kurden oder die Meinung, daß außer der türkischen Kultur auch andere Kulturen existieren, können zum Verbot einer politischen Partei führen. Bislang sind vom Verfassungsgericht zahlreiche politische Parteien verboten worden. Paragraph 81 des türkischen Parteiengesetzes lautet wörtlich:
 
"Die politischen Parteien
 a) dürfen nicht behaupten, daß es innerhalb des Staatsgebietes der Republik Türkei Minderheiten existieren, deren Unterscheidungs- merkmal auf nationaler und religiöser Kultur oder Rasse oder Sprache beruht;
 
b) dürfen auf dem Staatsgebiet der Republik Türkei keine Minderheiten schaffen, indem sie eine sich von der türkischen Sprache und Kultur unterscheidende Sprache und Kultur bewahren, sie weiterentwickeln oder verbreiten, um das Ziel zu verfolgen, die Einheit der Nation zu zerstören oder in dieser Richtung Aktivitäten zu entfalten;
 
   c) dürfen im Niederschreiben und Veröffentlichen ihrer Satzung und ihres Programmes sowie auf ihren Parteitagen, ihren Versammlungen im Freien oder in geschlossenen Räumen, ihren Kundgebungen und bei ihrer Propaganda eine sich vom Türkischen unterscheidende Sprache nicht verwenden; dürfen keine Transparente und Schilder sowie Schallplatten, Ton- und Videobänder, Broschüren und Bekanntmachungen in einer sich vom Türkischen unterscheidenden Sprache verwenden und verteilen; dürfen nicht untätig bleiben, wenn solche Aktionen und Vorgehensweisen durch andere wahrgenommen werden. Es ist jedoch möglich, die Satzung und das Programm in eine nicht durch das Gesetz verbotene Fremdsprache zu übersetzen."
 
"Per Gesetz verbotene Sprachen ..."
 
Offensichtlich ist in diesem Paragraphen die Rede von "per Gesetz verbotenen Sprachen". Hier wird auf die Paragraphen 26 und 28 der türkischen Verfassung von 1982 Bezug genommen.
Paragraph 26 der Verfassung lautet:
 
"Bei der Äußerung und Verbreitung von Meinungen darf eine durch Gesetz verbotene Sprache nicht verwendet werden."
 
Im Paragraph 28 heißt es:
 
"In einer durch Gesetz verbotenen Sprache dürfen keine Veröffentlichungen gemacht werden."
 
In den folgenden Jahren wurde gemäß dieser Paragraphen auch ein Gesetz erlassen, um diesen Verbot auszuführen. Damit das Kurdische nicht beim Namen zu nennen, wurde in diesem Gesetz die "verbotene Sprache<@148> wie folgt umschrieben: "Sprachen außer der ersten Amtssprache eines jeden Landes ..." Kurdisch ist im Irak weiterhin die zweite Amtssprache. Daher wurde die Regelung "erste Amtssprache" getroffen..
 
Somit ist die Türkei das erste und einzige Land der Welt, das eine Sprache per Verfassung verbietet. Es ist offensichtlich, wohin die Politik zur Ausrottung des kurdischen Volkes diesen Staat und dessen Gesellschaft geführt hat.
 
 
"Bergtürken" und Völkermord
 
Im Zuge ihrer oben beschrieben Politik führte der türkische Staat die Begriffe "Bergtürken" und "Bergtürkisch" ein, um nicht die verbotenen Begriffe wie "Kurden" und "Kurdisch" verwenden zu müssen. Im gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes wurden jahrzehntelang die Kurden zu Bergtürken erklärt. Beeindruckt von den Machenschaften des türkischen Regimes, hat der berühmte englische Autor Harold Pinter ein Theaterstück mit dem Titel "Bergsprache" geschrieben. Jedoch war es auch als "Bergtürke" nicht möglich, der Gewalt dieses Regimes zu entgehen. General Cemal Gürsel, der 1960 durch einen Putsch an die Macht kam und dann zum vierten Staatspräsidenten der Republik erkoren wurde, äußerte sich bezüglich der Kurden:
 
"Sollten die Bergtürken keine Ruhe geben, so wird die Armee nicht zögern, ihre Städte und Dörfer zu bombardieren und zu zerstören. Es wird solches Blutbad geben, daß sie und ihr Land nicht mehr existieren werden". (Schwedische Zeitung Dagens Nyheter, 16. November 1960).
 
 
Genau das ist es, was der türkische Staat seit einigen Jahren in Kurdistan zu verwirklichen versucht.
 
Es war unvermeidlich, daß diese despotische Politik zu einer Reaktion und zum Widerstand des kurdischen Volkes führen würde. Die Unterdrückungs- und Gewaltpolitik hat unausweichlich ihr Gegenbild geschaffen. Jahrzehntelang währende staatliche Gewaltpolitik hat die Gegengewalt hervorgebracht. und aus diesem Grund führt die Türkei seit Jahren einen Krieg gegen Kurden, die einen Partisanenkrieg führen.
 
In diesem Krieg hat die Türkei auch das Kriegsrecht mißachtet und schwere Verbrechen am kurdischen Volk und sogar an der gesamten Menschheit begangen. Die Türkei hat kurdische Dörfer, Städte und andere Siedlungen mit Hilfe von Panzern und Artillerie angegriffen und mit Kampfflugzeugen bombardiert, niedergebrannt und verwüstet. Rund viertausend kurdische Siedlungen wurden dem Erdboden gleich gemacht. Vier Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Menschen, die alles verloren haben, was sie besaßen, leben jetzt ohne Arbeit und Zukunftsperspektiven in Armenvierteln der Großstädte in großer Armut. Es wurden Wälder in Brand gesetzt, ja sogar chemische Waffen wurden eingesetzt. Türkische Soldaten ließen sich im Siegesrausch mit geköpften Partisanen fotografieren. Frauen wurden vergewaltigt, Kinder schlimmsten Folterungen unterworfen. Es wurden sogar Massaker an Gefangenen begangen. Staatlich gelenkte Todesschwadronen haben Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen, die Täter sind immer "unbekannt".
 
Um diesen schmutzigen Krieg gegen die Kurden finanzieren zu können, verwandelte sich die Türkei in ein staatlich geschaffenes und gelenktes Rauschgift- und Glücksspielparadies.
 
Eine ähnliche Zerstörung und Vertreibung hatte zuvor schon die irakische Regierung unter Saddam in Irakisch-Kurdistan gegen die Kurden durchgeführt, was -auch wenn es ziemlich spät kam - international als Völkermord bewertet wurde. Gegenüber all dem, was die Türkei anrichtet, wird aber geschwiegen. Was muß eigentlich noch geschehen, damit sich die internationale Öffentlichkeit endlich bewegt? Etwa die Besetzung Kuwaits..?
 
 
Der Bericht des Nationalen Sicherheitsrates: Ein beispielloser Rassismus
 
Es sieht aber nicht so aus, als ob der türkische Staat es bei den bisherigen Maßnahmen beläßt. Vor kurzer Zeit wurde ein erschreckender Bericht des Nationalen Sicherheitsrates in der Öffentlichkeit bekannt. In diesem Bericht wird die steigende Zahl der Kurden in der Türkei als gefährlich eingestuft und darauf hingewiesen, daß die kurdische Bevölkerung im Jahre 2010 den Anteil von 40 % und im Jahre 2025 schon den Anteil von 50 % Prozent der Gesamtbevölkerung erreichen werde. In Anbetracht dessen würden die Kurden im Parlament die Mehrheit erringen. Dieser Gefahr müßte berücksichtigt und "radikale Maßnahmen" dagegen ergriffen werden. Als eine mögliche Maßnahme wird die Einführung von Steuern für jedes neugeborene Kind vorgeschlagen, also eine Art Geldstrafe.
 
Im selben Bericht wird darauf hingewiesen, daß 90 % der Angestellten im religiösen Sektor, 80 % der Gefängniswärter und 43 % der Lehrer kurdischer Abstammung seien. Auch das wird als eine Gefahr angesehen und die Regierung wird aufgefordert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
 
Es ist nicht neu, daß die türkische Administration im kurdischen Gebiet keine Kurden als Beamte beschäftigen will. Sie hat aber dabei keinen Erfolg gehabt, weil türkische Beamte aufgrund schwieriger Lebensverhältnisse dort nicht arbeiten wollen. Die Region ist für die meisten ein Verbannungsziel. Auf der anderen Seite hat sich der türkische Staat über den Bevölkerungszuwachs der Türken nie beschwert, seit Jahren aber wird versucht, den Bevölkerungszuwachs der Kurden zu verhindern. Mit diesem Ziel wurden viele Maßnahmen ergriffen, darunter der Einsatz von Spiralen zur Empfängnisverhütung bei kurdischen Frauen oder die kostenlose Verteilung von Präservativen an Männer. Es ist offensichtlich, daß all diese Maßnahmen und die Vertreibung von Millionen von Kurden und zum Teil sogar Massenmorde noch nicht ausgereicht haben, so daß jetzt radikalere Maßnahmen gefordert werden. Welche könnten nun in Frage kommen? ...
 
Die Argumentation der türkischen Regierung für den seit Jahren gegen das kurdische Volk geführten schmutzigen Krieg ist die Terrorbekämpfung. Jedoch führt der Bericht des Nationalen Sicherheitsrates noch einmal ganz deutlich vor Augen, daß das, was Terror genannt wird, einerseits ein Produkt der Politik des türkischen Staates ist und andererseits ein Vorwand für seine Unterdrückungspolitik. Das eigentliche Ziel des türkischen Staates ist, die kurdische Identität und somit die innerhalb seiner Staatsgrenzen lebenden 20 Millionen Kurden auszurotten.
 
Als dieser Bericht der Regierung vorgelegt wurde, verlor ein Minister kurdischer Abstammung die Beherrschung und sagte, "er werde ihn nicht unterschreiben, weil dieser Bericht selbst separatistisch sei"
 
 
Diskriminierung der Kurden im Arbeits- und Berufsleben
 
Für eine Kurdin oder einen Kurden ist nur dann möglich, in eine systemtreue Partei einzutreten, ins Parlament zu kommen oder Minister zu werden, wenn sie oder er das repressive, antidemokratische und rassistisch motivierte System vollständig mitträgt, vor allem, wenn sich dieses System gegen das kurdische Volk richtet. Die Unterdrückung und Verachtung der Kurden erreicht jedoch manchmal ein Ausmaß, daß nicht einmal solche regimetreue Wendehälse aushalten können.
 
Wenn die Türkei aufgrund dieser Praxis wieder einmal in die internationale Kritik gerät, entgegnen die Vertreter der Türkei, die Kurden könnten auch am politischen Leben teilhaben. Sie hätten das Recht zu wählen und gewählt zu werden, ins Parlament zu kommen und sogar Ministerämter zu bekleiden. Das ist aber nur innerhalb des von diesem System gesetzten Rahmens möglich. Das heißt, unter der Voraussetzung, sich dem repressiven Regime zu beugen, alles von ihm ausgehende Unrecht zu befürworten und seine eigene Identität zu leugnen. Welches Gewaltregime akzeptiert dies nicht?
Doch trotz der Regimetreue ist es auch solchen Kurdinnen und Kurden nicht gestattet, in sensible Positionen des Staates zu gelangen. In Offiziersschulen und -akademien werden keine Kurden aufgenommen, hohe Positionen im administrativen Bereich der Außenpolitik sind den Kurden verschlossen. In den letzten Jahren ist auch bei den Sicherheitsbehörden, wie die Polizei, eine solche Praxis eingeführt worden. Für patriotische und intellektuelle Kurden, die nicht bereit sind, ihre Identität preiszugeben oder zu leugnen, ist eine Anstellung im öffentlichen Dienst völlig unmöglich. Für diese ist es sogar sehr schwierig, in der privaten Wirtschaft eine Anstellung zu finden. Im allgemeinen wird ein polizeiliches Führungszeugnis benötigt, und die Haltung der Polizei solchen Kurden gegenüber liegt auf der Hand.
 
 
Auch Newroz, das traditionelle Neujahrsfest der Kurden, ist verboten
 
Es würde wohl wundern, wenn ein solches Unrechtsregime das traditionelle Fest Newroz den Kurden nicht verbieten würde. Der türkische Staat hat, ähnlich wie beim Tag der Arbeit am 1. Mai, alles erdenkliche unternommen und viel Blut vergossen, um das am 21. März gefeierte kurdische Neujahrsfest Newroz zu verhindern. Am 21. März 1992 haben Angehörige der türkischen Streitkräfte und Polizei Menschenmassen, darunter viele Frauen und Kinder, die mit ihren traditionellen Festkleidern friedlich auf Straßen marschierten, unter Beschuß genommen. In kurdischen Städten wie Cizre, Nusaybin und Sirnak wurden auf diese Weise über hundert Menschen ermordet und weitere hunderte verwundet.
 
Das Feiern des Newroz-Festes wird heute verhindert. Das Regime hat jedoch erkannt, daß es Newroz nicht gänzlich verhindern kann und daß dieses traditionelle Fest für die Kurden zu einem Symbol des Widerstandes geworden ist. Nun versucht es, das Fest für sich in Anspruch zu nehmen und es von seinem eigentlichen Inhalt und der Bedeutung zu entleeren. Vor kurzem hat der türkische Staat Newroz zu einem türkischen Fest erklärt und begründet dessen Ursprung mit dem rassistischen Grauen-Wolf-Mythos (nach diesem Mythos sollen die Türken von einem grauen Wolf abstammen). Auf diese Weise wird Newroz nun als ein türkisches Volksfest von Angehörigen der Regierung, Parteifunktionären, Gouverneuren, Polizeipräsidenten und Generälen in rassistisch geprägten offiziellen Zeremonien gefeiert, während es den Kurden weiterhin untersagt bleibt.
 
Es ist ein bemerkenswerter Zufall, daß Newroz mit dem internationalen Anti-Rassismus-Tag am 21. März zusammenfällt. Und Kurden bringen an diesem Tag ihre Sehnsucht nach Frieden und Freiheit mit großer Begeisterung zum Ausdruck.
 
 
Es darf nicht Stillschweigen bewahrt werden
 
In Anbetracht der dramatischen Lage läßt sich sagen, daß die Kurden eines der Völker auf der Erde sind, und das Opfer größter nationaler Unterdrückung und rassistischer Diskriminierung sind. Und eines der Länder, die diese Politik gegen die Kurden betreiben, ist die Türkei, die Mitglied des Europarates und der OSZE ist. Die Türkei verletzt somit aufs gröbste das internationale Recht und ihre selbsteingegangenen internationalen Verpflichtungen. Mit dieser Politik lädt sie große Schuld gegen die Menschheit auf sich.
 
Die Europäische Union, die das Jahr 1997 zum Jahr zur Bekämpfung des Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erklärt hat, darf nicht Stillschweigen bewahren angesichts der dramatischen Lage der Kurden, der schweren Menschenrechtsverletzungen und der rassistischen Praktiken der Türkei.
 
 
Das kurdische Volk braucht die internationale Unterstützung.
 
Alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sollten gegenüber der Türkei von ihrem Recht auf Durchführung von Sanktionen, das auf internationalen Vereinbarungen beruht, Gebrauch machen und sollten die Identität der in ihren Ländern lebenden kurdischen Immigranten anerkennen und sie mit anderen Immigrantengruppen gleichstellen, indem auch ihnen das Recht auf Radio- und Fernsehsendungen und muttersprachlichen Unterricht in Kurdisch gewährt wird. Dadurch können sie das in ihren eigenen Ländern herrschende Unrecht beseitigen.
 
 
Sozialistische Partei Kurdistans
 Juni 1997
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