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EU-Mitgliedschaft, Kurdenfrage und Teufelskreis

Kemal Burkay

Die Frage über das Entsenden der türkischen Soldaten in den Irak hat am 7. November in einem Telefonat des US amerikanischen Außenministers Colin Powell mit dem türkischen Außenminister Abdullah Gül ein Ende gefunden. Powell sagte, die derzeitige Situation im Irak ließe es nicht zu, türkische Soldaten in den Irak zu entsenden und überließ es auf eine höfliche Art und Weise den Türken, eine Erklärung dazu abzugeben.

Gleich danach äußerte sich die türkische Regierung dementsprechend dazu. Das war auch gut so. Damit wurde das türkische Vorhaben über einen Feldzug gegen Südkurdistan noch einmal zunichte gemacht. Vielleicht aber war das aber auch ein richtiger Schritt für die Türkei, denn sie blieb von einem riskanten Unterfangen im Irak verschont. Man kann nicht wissen, wozu es hätte kommen können, wenn sich die Türkei auf dieses Abenteuer eingelassen hätte.

Man kann davon ausgehen, dass die türkischen Träume davon, den kurdischen Frühling in Südkurdistan in einen langen Winter zu verwandeln und die Region um Kirkuk und Mossul zu annektieren vorerst vom Tisch sind. Ich sage fürs vorerst, weil die Herren von dieser für die türkischen Nationalisten ansteckenden Krankheit nur schwerlich geheilt werden können.

So hat zum Beispiel der türkische Außenminister im Anschluss der oben genannten Erklärung das Dauerthema PKK-KADEK erwähnend gesagt: „Wenn wir angegriffen werden, wird unsere Armee in den Irak einmarschieren“.

Erwartet der türkische Staat in der Tat einen solchen Angriff? Natürlich nicht. Warum in aller Welt sollte die PKK-KADEK die Türkei angreifen? Sie hat doch vor fünf Jahren einseitig die Waffen niedergelegt und auf Direktive Öcalans und Zustimmung des türkischen Staates ihre Guerillakräfte jenseits der türkischen Grenze gebracht und betet seitdem für die Einheit und das Wohlbefinden der Türkei. Sie erweist somit dem türkischen Staate ihren Dienst, indem sie die türkische Staatsideologie, den Kemalismus, lobt. Gibt es eine logische Erklärung dafür?

Natürlich ist es wieder was anderes, wenn die Türkei dieses „Angriffs“ bedarf, es also eine abgekartete Sache ist. Dann kann in der Region das Spiel nach Belieben und Regeln der Türkei, mit türkischen Spezialeinheiten und deren Handlangern gespielt werden. Wenn man den Angriff, der gegen die Peshmerga der KDP (Demokratische Partei Kurdistans) gerichtet war, bei dem ein Peshmerga getötet und ein anderer verwundet wurde, aus dieser Perspektive betrachtet, kommt man zu sehr interessanten Schlüssen. Zumal wenn man bedenkt, dass sich dieses Ereignis gleich im Anschluss an die Erklärung der Türkei abgespielt hat, sie sehe von einer militärischen Beteiligung ab. Die türkische Regierung hat in Handumdrehen bekannt gemacht, dass die PKK dafür verantwortlich sei. Die regimetreue, nationalistische türkische Tageszeitung Hürriyet hat diesen Vorfall mit der Schlagzeile „PKK und amerikanische Streitkräfte stießen zusammen“ veröffentlicht. Angeblich sei es durch die Vermittlung der Amerikaner dazu gekommen, dass die Parteien ihre Gefangenen und Verwundete tauschten. Entspricht das der Wahrheit?

Seitens der PKK liegt noch keine Erklärung dafür vor. Selbst wenn, wie glaubhaft könnte das sein? Doch das steht wiederum auf einem anderen Blatt. Aber sowohl die KDP auch die Amerikaner machen recht unterschiedliche Angaben darüber. Es wird nur bestätigt, dass es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung kam. Es wird gesagt, dass die Aggressoren nach dem Zusammenstoß durch amerikanische Hubschrauber bombardiert worden seien. Sie hätten dann die Flucht ergriffen und es könne nun nicht herausgefunden werden, wer sie seien. Also ist es dann nicht sicher, dass die PKK für diesen Angriff die Verantwortung trägt. Und ein Gefangenentausch mit PKK ist glattweg eine Lüge.

Könnten es nicht die türkischen Spezialkräfte gewesen sein, die diesen Angriff unternahmen? Wir wissen ja, dass diese Einheiten in solchen Sachen eine gewisse Professionalität erlangt haben. Das Ziel liegt ja offen. Wie wir schon häufig gesagt haben, will die Türkei jenseits ihrer Grenze die sich in Südkurdistan aufhaltenden Kräfte der PKK durch die USA und Kurden dort unterdrücken lassen und damit die Kurden in Nordkurdistan gegen die USA aufhetzen und letztendlich zwischen Kurden im Norden und Süden Zwietracht säen. Die Türkei greift zu solchen taktischen Schachzügen, damit sich die Amerikaner gezwungen fühlen, die PKK anzugreifen. Dazu kann die türkische Regierung entweder einige Personen oder Gruppierungen in der PKK-KADEK benutzen oder direkt ihre eigenen dazu ausgebildeten Spezialeinheiten. Der türkische Staat könnte sogar solche Provokationen selbst zum Anlass nehmen, um in Südkurdistan militärisch zu operieren.

Dieser Vorfall wird in den nächsten Tagen vielleicht aufgeklärt. Ich hoffe aber, dass die PKK die Verantwortung übernimmt und somit der Türkei eine Atempause gönnt. Es ist aber auch interessant zu sehen, dass sich die PKK auch Tage nach diesem Ereignis nicht zu Wort gemeldet hat.

Eigentlich ist es nicht die PKK-KADEK, die dem türkischen Regime Kopfschmerzen bereitet. Man sollte nicht so viel Acht geben auf die türkische Propaganda, es befänden sich immer noch PKK-Kämpfer in Südkurdistan. Schon seit längerem sieht die Türkei in der PKK keine Gefahr mehr für sich. Das wissen alle, die sich mit der Problematik näher befassen, die türkischen Politiker, Medien und auch die Amerikaner. Aber die Türkei braucht einen Vorwand, um sich in Südkurdistan einzumischen. Die einzige Sorge der türkischen Politiker ist die Entwicklung in Südkurdistan, das funktionierende Parlament dort und die Regierung und dass dieser Teil Kurdistans die Freiheit erlangt.

In letzten Tagen hat sich die PKK, oder besser gesagt deren Nachfolgeorganisation, noch einmal aufgelöst und wieder neu organisiert. Jetzt ist es auch mit der KADEK vorbei. Die neue Organisation nennt sich Kurdistan Volkskongress. Man verliert in diesem Wirrwarr leicht den Überblick über all diese Änderungen und die Namen der Organisationen. Das Beste was sie machen könnten, da sie sich die Befreiung des kurdischen Volkes nicht mehr zum Ziel setzen, wäre, ihre Waffen den Kurden in Südkurdistan zu überlassen und ihre Kämpfer mit dem zivilen Leben beginnen zu lassen. Wenigstens würde dann die türkische Regierung viel schlechtere Karten in der Hand haben, da sie die PKK nicht mehr als Vorwand nutzen und sie nicht mehr der Öffentlichkeit als eine Gefahrquelle präsentieren könnte. Das wäre also das Beste, was sie derzeit der kurdischen Bewegung als ihren Beitrag leisten könnte.

Der Bericht der EU über die Fortschritte der Türkei

Die EU hat am 5. November ihren Bericht über die Fortschritte der Türkei veröffentlicht. In dem Bericht wird die Lage in der Türkei in diplomatischem Stil objektiv dargestellt. Es wird betont, dass der Weg der Demokratisierung der Gesetzgebung weiterhin beschritten werden soll. Es wird deutlich darauf hingewiesen, dass die Anwendung der bereits geänderten Gesetze gleich Null ist. Als Beispiel hierfür werden die kurdische Sprache in der Erziehung und in den Medien sowie die Hegemonie und der Einfluss des Nationalen Sicherheitsrates (MGK) auf die Politik angeführt. Günter Verheugen, der für die Erweiterung der EU zuständige Kommissar, hat in einem Interview mit der Zeitschrift European Voice auf die immer noch schlechte Menschenrechtslage in der Türkei hingewiesen und gesagt, die Türkei sei von den für die Mitgliedschaft in der EU notwendigen Kriterien noch weit entfernt. Es seien einige positive Anstrengungen in dieser Richtung sichtbar, aber die Türkei habe weiterhin schwerwiegende Mängel.

Wie man sieht, bewertet die EU die Türkei auch nach all diesen sogenannten „Reformen“ als fern von jeglichen Kriterien und betrachtet die unternommenen Schritte als „einige positive Anstrengungen.“ Die EU teilt somit die mit viel Lärm verkündeten Reformbehauptungen nicht. Ob diese „Anstrengungen“ wirklich als „positiv“ zu bewerten sind oder nur als Augenwischerei, ist sehr diskutabel. In der Türkei herrschten in der Regierung, der Opposition und in den Medien wieder mit Vorurteilen verbundene Emotionen gegen diesen Bericht. So bezeichnete zum Beispiel der türkische Premierminister Erdogan die Kritik über der Gesetzgebung als einen „Vorwand“. Daraufhin hat sein Außenminister Gül, der den Bericht zunächst als objektiv bezeichnet hatte, seine Aussage revidieren müssen und sagte nun, er sei sich den Mängeln des Berichtes bewusst.

Die EU Gegner in der Türkei, die auch sehr einflussreich sind, haben wieder ihre Stimme erhoben und ihre These „Sie werden uns niemals aufnehmen, gleich was wir tun. Es ist besser, wir tun nichts“ wieder in Umlauf gebracht. Es ist also nicht übersehen, dass die konservativen Kräfte in der Türkei, die auch sehr mächtig sind, mit ihrem Widerstand gegen eine mögliche Aufnahme der Türkei in die EU weitermachen. Ihre eigentlichen Bemühungen richten sich gegen die Demokratisierung des Landes, weil sie sonst ihre Hegemonie und Privilegien verlieren würden. Die Regierung aber, trotz einiger Änderungen im Bereich der Meinungsfreiheit und des Versuchs, die Staatssicherheitsgerichte und den Nationalen Sicherheitsrat zu reformieren, hält sich wegen den Reaktionen der konservativen Kreise zurück und schwimmt im Kielwasser der Nationalisten. Wie glaubhaft findet Herr Erdogan seinen Vorwurf, dass die Kritik der EU nur „Vorwand“ sei? Merkt er selber nicht, dass die Änderungen meistens auf dem Papier bleiben und keinen konkreten Nutzen haben?

Was kann man großartig davon erwarten, ob man am Tag 15 - 20 Minuten oder vielleicht eine halbe Stunde in der kurdischen Sprache sendet? Entspricht das dem Recht eines Volkes von 20 Millionen in seiner eigenen Sprache senden zu können? Würden sie sich damit abfinden, wenn es dabei um 150 - 200 Tausend Türken auf Zypern ginge?

Und was ist mit den Sprachkursen in Kurdisch? Wie soll man dafür Verständnis aufbringen, dass man einem Volk von 20 Millionen Menschen nicht die Möglichkeit einräumt, ihre Sprache von der Grundschule bis zur Universität in allen Schulen lernen zu können? Stattdessen zwingt man diejenigen, die die kurdische Sprache lernen möchten, in einem so großen Land lediglich in einigen wenigen Zentren Sprachschulen zu besuchen und das auch noch aus eigener Tasche zu bezahlen! Würden sie dem zustimmen, wenn man dies mit den Zypern-Türken vorhätte?

Zahlen etwa die Kurden keine Steuern? Warum verbietet ihr den Kurden sich in eigener Sprache auszubilden, während ihr mit deren Steuergeldern unzählige türkische Schulen, Universitäten, Berufsschulen eröffnet? Wenn ihr euch durch die Kritik in die Enge getrieben fühlt, weist ihr auf die Sprachkursen hin. Versteht ihr etwa das unter dem Recht eines Volkes auf eigene Sprache und Kultur? Ist das, wenn es keine schwarze Komödie ist, eine Beleidigung des Kurdischen Volkes?

Außerdem: Ist die Kurdenfrage nur eine der kulturellen Rechte? Seht ihr die Zypernfrage auch als solch eine? Glaubt ihr, dass damit die Kurdenfrage gelöst und man den Forderungen des kurdischen Volkes entgegengekommen wäre? Glauben das die geehrten Demokraten in Europa?

Selbst die halbherzig, nur zur Augenwischerei durchgeführten Reformen bleiben auf dem Papier und werden nicht verwirklicht. Es sind Monate und Jahre vergangen ohne dass die Kurdischkurse eröffnet wären, und man damit angefangen hätte, die kurdische Sprache in den Medien zu benutzen. Es werden immer wieder Vorwände erfunden, um das zu verhindern. Damit wird die Zeit der Kurden und Europäer vergeudet. Man stelle sich vor, wie es aussehen würde, wenn es mal zu Anwendung käme.

Wie gerecht ist es, die Kritik in diesem Bericht als „Vorwand“ zu bezeichnen, wenn es um die Sache nun mal so steht, wie oben dargestellt? Die Wahrheit ist, dass sowohl die Zuständigen der EU, als auch die Kurden sich dessen bewusst sind, was für ein Spiel da gespielt wird. Gleichgültig wie laut und wie häufig die Regierenden in der Türkei auch sagen, „Wir gehen durch den Prozess der Demokratisierung nicht auf Drängen der EU, wir tun es, weil wir es brauchen“, sind sie nicht aufrichtig. Sie können weder auf Folter, noch auf andere Methoden der Unterdrückung, die ihnen in Mark und Bein übergegangen sind, verzichten. Was die Kurdenfrage betrifft, sind Militärs und Zivile, Regierung und Opposition sich einig. Sie haben sich jahrelang geweigert, die kurdische Realität anzuerkennen. Auch wenn sie jetzt das Problem beim Namen nennen, wollen sie sich der Tatsache nicht in allen Dimensionen nähern. Sie befinden sich immer noch in einer Allianz, um die Rechte der Kurden nicht anzuerkennen. Nichts anderes als eine grobe Täuschung ist es, was sie im Bereich der Kopenhagener Kriterien zu tun scheinen. Vielleicht würden sie in letzter Minute der Eröffnung eines Kurdischkurses in Istanbul oder Batman stattgeben, oder der kurdischen Sprache eine fünfzehnminütige Sendezeit In MIT-TV (MIT - Türkischer Geheimdienst) einräumen und dann vor der EU auftreten und sagen: „also gebt uns einen Termin für die Beitrittsverhandlungen, da wir unsere Hausaufgaben gemacht haben!“. Man muss sich nicht wundern, wenn sie einen Termin dafür bekämen und dann diese Kurse aus irgendeinem Grund wieder schließen würden. All diese Tricks und List der Regierenden in der Türkei sind ekelhaft, und es überkommt einen das Gefühl der Hoffnungslosigkeit vor der Unmöglichkeit der Demokratisierung dieses Landes. Man muss wirklich dumm sein, um diese „Reformen“ ernst zu nehmen. Das tun ohnehin weder wir Kurden noch die Europäer.

Und was ist wiederum mit den Bürgern dieses Landes, wie ernst nehmen sie die Sache? Achtzig Prozent der Bevölkerung sind für einen Beitritt in die EU. Was ist der Grund für diese hohe Zustimmung, die man sonst in keinem der Beitrittsländer trifft? Ist es die Sehnsucht nach Zivilisation, Demokratie und Freiheit? Natürlich nicht. Sechzig Prozent von diesen bejahen einen Beitritt aus wirtschaftlichen Gründen, also um von der Freizügigkeit zu profitieren und bessere Lebensbedingungen zu erreichen. Das ist nur allzu verständlich. Aber nur zwanzig Prozent der Bevölkerung unterstützen das Beitrittsvorhaben, damit sich Menschenrechtslage zum Guten verändert, und es ist nicht verwunderlich, dass unter denen die Kurden die Mehrheit bilden. Also eine große Mehrheit interessiert sich nicht für die Menschenrechte. Die Rechte und Freiheiten ihrer kurdischen Brüder und Schwestern, mit denen sie Tür an Tür leben, sind nicht von Bedeutung. Eine erdrückende Mehrheit tendiert sogar dazu, die Meinung von Politikern und Militärs zu teilen. Ihr Verstand und ihre Denkweise wurden jahrelang damit vergiftet und sie wurden dahingehend indoktriniert, die Kurden und die anderen Minderheiten im Lande, die nicht in das Schemata des Kemalismus passen, als eine Gefahr zu sehen. Für die Demokratisierungs- und Veränderungsbemühungen ist dies von großer Bedeutung. Solange die Bevölkerung in der Türkei sich nicht zu den wichtigen Veränderungen bekennt, werden die Politiker nicht gewillt sein, diese durchzuführen.

Die Türkei befindet sich also in einem Teufelskreis und solange sich an dieser Situation nichts ändert, werden die Demokratisierung und eine Aufnahme in die EU, wenigstens für die nahe Zukunft, nichts anderes als ein Traum bleiben.

PSK Bulletin © 2003

PSK Bulten © 2003