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Sechs Sprachen, eine Vision: „Bijî KOMCIWAN!“

Fast 80 Jugendliche kamen auch diesmal in Cuxhaven zusammen

Es war das erste große, internationale Camp von KOMCIWAN, das dieses Mal vom 26.12.-30.12.2010 in Cuxhaven stattfand. Knapp 80 Jugendliche aus Deutschland, Schweden, England und den Niederlanden kamen zusammen und brachten eine bisher neue, unbekannte, frische Energie mit sich.

Der Anreistag brachte viel Nervosität und Neugier in die Jugendherberge, doch nach einigen Kennenlernspielen, Unterhaltungen in der Gruppe, Musik und Gesang konnte man die nächsten aufregenden Tage kaum erwarten. Neben einem ersten Heranschnuppern und Austausch von KOMCIWAN-Mitgliedern aus den verschiedenen Ländern, wurde gemeinsam nach vorn geschaut, um Hürden und Ziele künftig gemeinsam noch besser zu bewältigen.

Am zweiten Tag gab uns das informative und zugleich emotionale Referat von Yilmaz Çamlibel zum Putsch vom 12. September 1980 in der Türkei und der Gefangenschaft im berüchtigten Gefängnis von Amed (Diyarbakir) einen Einblick in die grauenvollen psychischen und physischen Foltermethoden des türkischen Staates. Nach dem Referat fragte eine Campteilnehmerin nach dem ersten Augenblick nach Entlassung Kek Yilmaz’ aus dem Gefängnis: „Das erste, was ich gesehen habe, war ein grüner, blühender Baum und ich begann zu weinen“. Alle waren stolz darauf, dass jemand wie Yilmaz Çamlibel offen und vertrauensvoll seine Erfahrungen mit den Jugendlichen teilte.

Am Nachmittag bekamen wir Besuch vom KOMKAR.eu-Vorstandsvorsitzenden Kovan Amedî. Er referierte über Organisationskulturen, Vereine und ihre Strukturen. Später wurde das Thema in Gruppenarbeiten auf verschiedenste Weise intensiver behandelt und vorgetragen.

Der dritte Tag begann ziemlich entspannt. Zwei Mitglieder KOMCIWAN´s, Seyran D. und Medya K., leiteten den Vormittag mit dem Thema „Profilbildung KOMCIWAN“. Sie gaben den Mitgliedern einen kleinen Input zum Thema, um anschließend gemeinsam zu erarbeiten,  was KOMCIWAN für diese bedeutet, welche Ziele verfolgt werden und inwieweit sie sich mit diesen identifizieren können. Durch die Vorträge der verschiedenen Ländegruppen wurde deutlich, wie groß die Ähnlichkeiten in den Zielen KOMCIWAN’s liegen und wo noch eventueller Bedarf an Hilfe oder Konzentration in bestimmten Themenfeldern besteht. Neben produktiven Referaten aus den Niederlanden oder Schweden gab es auch lustige Theaterstücke und Tanzvorführungen aus Deutschland und England, welche sehr beeindruckend waren.

Am Nachmittag wurde dann in die Themen „Interkulturelle Kompetenzen“ von Ercan Arslan, ehemaliger KOMCIWAN Gründer, und „Integration / Partizipation von Çiler Firtina eingeführt und bestimmte Fragestellungen bearbeitet.

Am vierten und letzten Tag stand am Vormittag das Thema „Zazas und Zazakî“ im Mittelpunkt. Der Schriftsteller und Publizist Seyidxan Kurij, der sich seit Jahrzehnten insbesondere mit dem Zazaischen beschäftigt,ging aufdie verschiedenen Definitionen der Begriffe für Zaza, wie „Kird“, „Kirmanc“, „Dimlî“ etc. ein und gab uns einen Einblick in die Situation des Dialektes. Da Zazakî heute fast nur noch in dörflichen Regionen gesprochen wird und die Sprache in den Großstädten vom Türkischen ersetzt werden musste, aufgrund der Schulbildung und der Arbeit, ist es nach einem Bericht der UNESCO mittlerweile vom Aussterben bedroht. Den Zuhörer_innen wurde noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, die kurdische Muttersprache zu beherrschen. Ob Kurmancî, Zazakî oder Soranî, unsere Identität und Kultur muss u.a. durch das Kurdische als offizielle Bildungs-/ Unterrichtssprache und durch die Pflege und Förderung der Sprache erhalten bleiben.

Das letzte Thema des Camps war „Die Förderation - Umsetzung der verschiedenen Förderationsformen auf Kurdistan“. Eine Einleitung zu diesem Thema wurde vom Generalsekretär der Sozialistischen Partei Kurdistans (PSK) Mesûd Tek vorgetragen. Im Mittelpunkt seiner Rede stand das Recht auf Selbst- bzw. Gleichbestimmung der Kurd_innen. Die Region, in der die Kurd_innen leben ist sehr sensibel, das politische Ungleichgewicht ist entstanden durch verschiedene äußere Mächte, die Machtverhältnisse geschaffen haben und bestrebt sind, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Und dennoch ist Kurdistan ein Mosaik, mit vielen Farben und Mustern, die sich in der Kultur-, Religions- und Völkervielfalt deutlich macht. Später ist Mesûd Tek auch auf die besetzte Region in Syrien eingegangen. Uns ist nicht deutlich genug, wie sehr unsere Brüder und Schwestern der Unterdrückung der Regierung ausgesetzt sind. Womöglich ergeht es ihnen schlimmer als jenen im türkisch-besetzten Teil Kurdistans. Das kurdische Volk in Syrien fordert zunächst lediglich v.a. soziale und kulturelle Rechte. Die Zukunft unseres Volkes in allen Teilen ist von großer Bedeutung. Nach der Einführung wurden erneut in Gruppenarbeit die föderativen Systeme in Deutschland, Belgien, Schweiz und im Irak ausgearbeitet und versucht zu veranschaulichen, ob und wie das auf Kurdistan übertragen werden könnte. Das Zitat von Kek Mesûd passt ganz gut zu dem Thema und den Ergebnissen der Präsentationen: „Ein halber Samen ergrünt nicht.“

Das Wintercamp 2010 wurde am Abend feierlich mit einer tollen, bunten und folklorereichen Abschlussfeier abgerundet. Es wurde getanzt und gegessen, gelacht und geweint. Neben einem kleinen Geschenk, einem Gruppenbild aller KOMCIWAN´ler_innen, als Andenken an das Wintercamp für alle teilnehmenden Länder, wurde auch eine kleine Spende für unseren kurdischen Kooperationsverein in unserer Heimat, ÇIRA - Kurdischer Kunst- und Kulturverein, in Höhe von über 1000 € gesammelt. Wir hoffen auch in Zukunft derart internationale Veranstaltungen gemeinsam organisieren zu können, uns besser kennen zu lernen und noch besser zusammenarbeiten zu können.

Nach all den inhaltsreichen Referaten, nach all den informativen Diskussionen, nach all der lehreichenen Erfahrung, ist beim ersten internationalen Wintercamp eins deutlich geworden: Ob groß oder klein, ob aus Schweden, den Niederlanden, England oder Deutschland, ob mehr oder weniger aktiv, wir sind die kurdische Jugend in Europa, wir verfolgen dieselben Ziele mit denselben Inhalten. Wir wollen ein freies und ein auf Menschenrechte basierendes Kurdistan. Wir wollen nicht unsere Identität verleugnen und stehen stolz, als starke Gruppe.

Gandhi hat mal gesagt: „Alleine geht man schneller, gemeinsam kommt man weiter!“

In diesem Sinne, danke auch auf diesem Wege an alle, die das Wintercamp 2010 zu dem gemacht haben, was es war. Danke an unsere Freund_innen aus England, Schweden und den Niederlanden.

Danke für die tolle Erfahrung und bis zum nächsten KOMCIWAN-Camp!

Medya K. / KOMCIWAN e.V.

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