“Das
schönste Camp der letzten Jahre”
- Fast 100 Jugendliche diskutierten, lernten
und feierten in Cuxhaven -
Knapp 100 Jugendliche aus Deutschland, der
Schweiz und Österreich nahmen am Komciwan-Wintercamp in Cuxhaven
im Dezember teil. Die Stimmung war gut, die Diskussionen lebhaft
und die Workshops ergiebig. Es wurde viel gelacht, aber es
trat auch Stille ein, als Adir aus Berlin über das
Ende der kurdischen Republik Mahabad berichtete.
Das Camp war in jeder Weise lebendig und viele
Teilnehmer waren am Ende ziemlich müde …
Es
ging mit einer Vorstellungsrunde los. In Cuxhafen sollte von
Anfang an jeder jeden kennenlernen. Und das blieb über die
gesamte Zeit auch so: Jeden Tag und jeden Abend stecken junge
Kurden ihre Köpfe zusammen - von Anfang an herrschte gegenseitiger
Respekt und Achtung. Das Programm bot viele Möglichkeiten:
In 5 Workshops (Journalismus, Kurmanci, Foklore, Film und Dies und Jenes) wurde viel
gemacht. Zum Teil stellten die Workshops ihre Produkte den
Teilnehmern vor, zum Teil war dies nicht immer möglich
Tarkan
Koc, ein ehmaliger Komciwan-Mitglied und heutiger Komkar EU
Vorstandsmitglied, reiste ebenfalls aus Bremen an um sein
Thema Kurden in Europa zu referieren. Seinen knapp drei Stunden
Vortrag verfolgten die Jugendlichen mit höchster Aufmerksamkeit.Tarkan
berichtete von Gastarbeitern, Flüchtlingen und den hier geborenen
Generationen. Zu guter Letzt forderte er die eigene Geschichte
der Eltern der Jugendlichen darzustellen. Diese Aufgabe wurde
mit großes Interesse gemeistert. Teilweise weckte sie sogar
verloren gegangene Emotionen.
Der
Generalsekretär der PSK,
Mesut Tek besuchte das Wintercamp und informierte die Teilnehmer
über die Erdogan-Initiative. Obwohl Tek hervorhob, wie positiv
es für die Kurden insgesamt sei, dass es überhaupt eine Diskussion
um die kurdische Frage gebe und dass die Türkei erstmals überhaupt
die Existenz der Kurden als Volk anerkannt hat. Zudem existierten
viele andere Gründe, warum Erdogan die Initiative ergriffen
hat. Zum einen müsse die Türkei sich für die Europäische Union
(EU) qualifizieren, zum anderen stünden große Erdgas und Pipeline-Geschäfte
an, die nach Stabilität riefen. Diese ökonomischen Faktoren
trügen sehr dazu bei, dass Erdogan seine Initiative konsequent durchführen könne.
Anschließend
berichteten Tarkan Koc und Taner Ucar von Komkar-EU
die Geschichte von Komkar in Europa. Beide hoben hervor, wie
positiv das Verhältnis zu Komciwan ist und dass es offene
Ohren für Vorschläge und Initiativen gibt.
Eine Botschaft die offenbar ankam: “Mir hat
vor allem Tarkans Vortrag gefallen, weil er uns auf eine sehr
sympathische Art angesprochen hat”, stellte Medya Kofli (22)
aus Berlin fest.
Komciwan
fasste in diesem Winterlager
auch heiße Eisen an! In der Workshop Gruppe“ Dies und
Jenes“ sprachen die Teilnehmer über verschiedene Themen sowie
die Ehrenmorde und Homosexualität. Es wurde eine Diskussionsrunde
gebildet für das Abendprogramm mit gleichgroßen Pro- und Kontra-Gruppen.
Mit der Frage Wie ist es mit einem Ehrenmord? Bei der Gruppe
der Pro-Ehrenmordgruppe war viel schauspielerisches Geschick
erforderlich, was aber sehr gut gelang. Die Diskussion stellte
die ambivalente Haltung von konservativ-islamischen Kreisen
und liberalen Leuten gegenüber. Das Thema betrifft leider
immer wieder kurdische Mädchen und Frauen, die Opfer einer
veralteten Tradition werden.
Die
Frage, wie Kurden mit Homosexualität und vor allem mit eigenen
schwulen oder lesbischen Verwandten umgehen, war die nächste
Diskussionsrunde am Mittwochabend. Hier waren einige Teilnehmer
überrascht, als Hetav und Adir berichteten, dass noch
vor 100 Jahren homosexuelle Beziehungen im Orient gang und
gäbe waren, dass niemand daran großen Anstoß nahm. Heute fallen
gerade Kurden und andere orientalische Völker dadurch auf,
dass sie vor allem schwule Männer ablehnen, teilweise angreifen
und aus den Familien verstoßen. Die Diskussion wurde durch
die Pro- und Kontra-Gruppe sehr lebhaft gestaltet
Am
Mittwoch wurde es sehr ruhig im Raum: Adir aus
Berlin referierte über die Geschichte der kurdischen Republik
Mahabad (heute Iran). Damals gelang es Qazi Mihammed mit sowjetischer
Unterstützung einen kurdischen Staat in Kurdistan zu gründen.
Viele nationalistische Kurden zogen damals nach Mahabad und
bildeten das Fundament. Sie erreichten die Renaissance der
geschriebenen kurdischen Sprache, gleichzeitig schufen sie
den Kern des kurdischen Nationalismus. Leider lebte die Republik
Mahabad von den Schwächen des Irans - besetzt im Norden durch
die Rote Armee (UdSSR) und im Süden durch die Engländer. Nach
dem Ende des zweiten Weltkriegs - 1945 - verhandelten die
Sowjets mit dem Westen und dem Iran … sie ließen ihre kurdischen
Verbündeten einfach im Stich.
Die
Teilnehmer hatten die Gruppenaufgabe, diese historische Epoche
aus der Sicht eines Zeitzeugen (eines Kindes, einer Frau oder
eines Mannes) zu schildern. Und da wurde es sehr still im
Wintercamp, denn selbst Jahrzehnte nach Ende von Mahabad ging
es jedem Teilnehmer unter die Haut. “Mich hat es ziemlich
getroffen, es berührt mich diese Vergangenheit mir vor Augen
zu führen”, bemerkte Hêvi (16) aus Hamburg. Zu oft hat sich
der Traum eines unabhängigen Kurdistans in eine Tragödie verwandelt.
Die Stille war am Abend aber schnell verflogen: Die Teilnehmer
diskutieren, spielten, musizierten und lachten die ganze Nacht,
entsprechend wenige fanden sich am Donnerstagmorgen um acht
zum Frühstück ein.
Viele
Teilnehmer beschrieben dieses Camp als das Schönste, das Informativste
und Spaßigste seit langer Zeit: “ Für mich war dies das Schönste
Camp der letzten Jahre … ich lobe den Vorstand für die gute
Organisation”, sagte Dilan Disci (19) aus Berlin. “ Meine
Erwartungen sind voll erfüllt worden … ich rate jedem kurdischen
Jugendlichen zum Camp zu kommen”, meinte Cihan Koc (20) aus
Bremen. Viele Teilnehmer kamen aber auch zum ersten Mal und
waren begeistert.
Fast alle wollen wieder kommen. Kritik gab es auch: Den einen
waren die Seminarräume zu kalt, andere fanden das Programm
zu voll. Eine Teilnehmerin hätte gerne gegrillt und dazu könnte
es im Sommercamp die Gelegenheit geben.
Während einige Teilnehmer am 31. Dezember abreisten,
freuten sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer, Silvester
mit Komciwan zu feiern.
Journallisms Workshop unter der Leitung von
Andre Berthy
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