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20. Jahrestag des Genozids von Halabja

15.03.2008

Am Nachmittag des 16. März 1988 bemerkten die Bewohner der kurdischen Kleinstadt Halabja einenseltsamen, für die meisten nicht einmal unangenehmen Geruch, etwa wie süße Äpfel, Gurken oder Parfüm. Nachdem seit fast einem Jahr kurdische Dörfer im Irak mit Giftgas bombardiert wurden, brauchte den Bewohner von Halabja niemand zu sagen, was der Geruch zu bedeuten habe. Einige versuchten, die Türen in den selbst gebauten Unterständen, in die sie sich vor Bombenangriffen geflüchtet hatten, mit feuchten Tüchern abzudichten, doch Atemnot und ein Gefühl wie stechende Nadeln in den Augen zwangen sie zur Flucht. In den dämmrigen Gassen spielten sich unvorstellbare Szenen ab. Auf den Wegen und in den Toreingängen lagen die Körper toter Menschen und toter Tiere übereinander. Andere Bewohner, die aus ihren Häusern herausliefen, fielen einfach um und starben. Wiederum andere wurden durch eine weitere Bombe in der zweiten Straße vergiftet, sie starben sich schüttelnd, mit Pupillen wie Nadelspitzen, blutend aus dem Mund, erbrachen sich und starben nach wenigen Minuten. Andere hatten Probleme im Bereich der Augen und der Haut. Das Massaker von Halabja wurde nur zufällig bekannt, weil westliche Journalisten und Wissenschaftler kurz nach der Bombardierung in die Region kamen und so die Folgen des Angriffs dokumentieren konnten. Über 5.000 Menschen starben einen grausamen Erstickungstod an dem auch mit bundesdeutscher Hilfe produzierten Tabun und Senfgas. „Vor allem eine Reihe deutscher Betriebe hat die Errichtung der Produktionsstätten für Giftgas und die dafür notwendigen Exporte weitgehend koordiniert. ... Deutsche Minister wie Jürgen Möllemann und Hans Dietrich Genscher haben lange Zeit so gut wie nichts unternommen, um diese Firmen an ihrem teuflischen Werk zu hindern. ... Klaus Kinkel, seinerzeit BND-Chef, sorgte dafür, dass die GSG 9 sogenannte irakische Antiterroreinheiten und die für unzählige Kriegsverbrechen verantwortlichen ‚Re­publikanischen Garden’ ausbildte. Er arrangierte persönlich, dass der damalige irakische Innenminister Sadour Shakir bei seinem Deutschlandbesuch einen Koffer mit automatischen Waffen ohne Zollkontrolle in seinem Privatjet mitnehmen durfte.“ (Zülch, Tilman; Mehr als eine Million Opfer; in: pogrom – bedrohte Völker 213 (3/2002), Seite 14) Auch nach den Giftgasangriffen blieben um die 100 deutsche Firmen für das irakische Baath-Regime aktiv und trieben dort mit Wissen der Bundesregierung ihre schmutzigen Geschäfte. (vgl. „report“ – München vom 17. Februar 2003) Heute gilt der Giftgasangriff auf Halabja als Saddam Husseins schlimmste Einzeltat und als Beleg der unerhörten Grausamkeit seines Regimes. Insgesamt wurden im Verlauf der irakischen „Anfal-Offensive“ allein im Jahre 1988 circa 300.000 Frauen, Kinder und Männer „abgeholt“, deren Schicksalbis heute weitestgehend unbekannt ist. Über 5.000 kurdische Dörfer und Kleinstädte, aber auch zahlreiche von den christlichen Minderheiten bewohnte Ortschaften, wurden zerstört, Wälder und Plantagen wurden niedergebrannt.

Unter den Folgen des Giftgasangriffes hat die Bevölkerung Südkurdistans und vor allem Halabjas bis heute zu leiden. Noch immer treten Hautveränderungen, heftiges Jucken und Brennen, zahlreiche Fälle von Hautkrebs und neurologische Probleme auf. Etwa die Hälfte der Bevölkerung leidet an verschiedenen Krankheiten der Atemwege und viele haben schwere Augenleiden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Fälle von Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, Missbildungen an Neugeborenen und Leukämie. Bis heute hat kein Staat die Massaker offiziell verurteilt. Auch eine Verurteilung des Giftgaseinsatzes gegen die kurdische Bevölkerung durch den UNO-Sicherheitsrat fand bis heute nicht statt Auch die Bundesrepublik Deutschland, deren Wirtschaftsunternehmen maßgeblich an der Vorbereitung der Giftgaseinsätze beteiligt waren, ist bislang nicht zu einer Vereurteilung nicht bereit. Allenfalls zieht man angesichts der Situation im Irak das Gewand eines Friedensengels über und vergießt Krokodilstränen für das irakische Volk.

Und selbst nach dem Ende des Sadda-Regimes ist das kurdische Volk in Südkurdistan in seiner Existenz bedroht. Die Militärmachthaber in der Türkei wollen die Gunst der Stunde nutzen, in Südkurdistan einzumarschieren und das Land zu besetzen. Nicht zuletzt der – auf Grund der dort herrschenden winterlichen Weiiterverhältnisse abgebrochene – Einmarsch des türkischen Militärs Ende Februar 2008 lässt befürchten, dass die Leiden der kurdischen Bevölkerung nicht beendet sind.

KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan e.V.

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