PSK PSK Bulten KOMKAR Roja Nû Weþan / Yayýn Link Arþiv
Dengê Kurdistan
PSK
PSK Bulten
KOMKAR
Roja Nû
Weþan/Yayýn
Arþiv
Link
Pirs û Bersiv
Soru - Cevap
Webmaster
 
 
 
Der Krieg gegen Afghanistan und die Notwendigkeit der Reformen im Islam

Von Kemal Burkay

Mit dem Beginn der Luftbombardements gegen Afghanistan am 7. Oktober wurde eine neue Phase im „Krieg der USA gegen den Terror“ eingeläutet. Wie immer beteiligt sich das „Alte England“ neben dem „Neuen England“ an diesem Krieg. Außerdem unterstützen noch viele andere Länder diesen Krieg - freiwillig oder aber gezwungenermaßen. Sie hatten sich, insbesondere nach den schwer verdaulichen Drohungen von Bush, zwischen den USA und den Terroristen zu entscheiden.

Sehr schnell bildeten sich Fronten für und gegen die USA. Seit dem ersten Tag wird ein intensiver Propagandakrieg durchgeführt. Die Legitimität und Ethik dieses Krieges wird überall in der Welt, USA eingeschlossen, stark diskutiert. Aber wie auch immer das wirkliche Ziel der Parteien ist und ob der Krieg gerechtfertigt ist oder nicht, begann der von den Anschlägen am 11. September ausgelöste Prozess unumkehrbar zu wirken.

Eine der Fragen, die einem in den Sinn kommen, ist: Was für einen Verlauf kann der Krieg nehmen?

Die USA begnügen sich am Anfang, wie bei dem Golfkrieg, nur mit Luftangriffen, bei denen Kampfjets und Langstreckenraketen eingesetzt werden. Der Einsatz der Bodentruppen erfolgte neulich für begrenzte Zieloperationen. Es sieht so aus, dass die USA die abschreckenden Erfahrungen der Russen und Engländer mit dem Bodenkrieg in Afghanistan vor Augen haben und eine großangelegte Militäroperation auf dem Lande nicht in Betracht ziehen. Die USA haben nach dem Vietnam-Krieg ohnehin auf riskante Bodenkriege verzichtet und stattdessen versucht, mit dem Einsatz ihrer technologisch überlegenen Waffensysteme die eigenen Verluste so gering wie möglich zu halten.

Aber nur durch die Luftangriffe Afghanistan zur Aufgabe zu zwingen ist unmöglich. Afghanistan ist weder Irak noch Jugoslawien: Ein armes und zerstörtes Land, das nichts mehr zu verlieren hat. Die abgefeuerten Bomben sind teuerer als die Ziele, die sie zerstören! Und auf diese Weise kann man weder Osama bin Laden, noch Mullah Omar festnehmen. Wenn die Absicht die Ergreifung der beiden und der Sturz der Taliban ist, ist ein Bodenkrieg unumgänglich.

Es sieht jedoch so aus, dass die USA den eigentlichen Bodenkrieg durch die paschtunenfeindliche afghanische Opposition „Nord-Allianz“ ausführen wird. Gleichzeitig wird sie versuchen, die Kommandeure und Stammesführer innerhalb der Paschtunen auf ihre Seite zu locken und dies wird ihr meiner Meinung nach auch gelingen.

Dass die Afghanen gute Kämpfer sind, ist bestimmt wahr. Aber statt der nationalen Werte spielen Werte wie Religion, Konfession und ethnische Unterschiede eine vorrangige Rolle. Deswegen können sie leichter gespalten werden und sehr rasch Fronten wechseln. Hinzu kommt, dass die heutige Situation wesentliche Unterschiede zu der Zeit des Krieges gegen die Sowjets aufweist. Damals hatten sie neben der Unterstützung der USA und der Westeuropäischen Staaten, auch die Hilfe der zahlreichen islamischen Staaten wie Pakistan, Saudi Arabien und Iran. Das heißt viel Geld, gute Waffen, politischen und moralischen Beistand. Unter diesen Bedingungen würde jeder erfolgreich sein.

Daher halte ich die Legenden über den afghanischen Heroismus für übertrieben. Heute ist alles anders. Das Regime der Mullahs ist isoliert. Der Nachbar Iran ist gegen das Taliban-Regime und nicht einmal die Freunde Saudi Arabien und Pakistan können dem Regime helfen. Das arme, kriegsmüde und vom Taliban-Regime selbst geknebelte Volk hat weder das erforderliche Brot, noch die Munition für den Krieg. Ein Krieg, gestützt auf die „Kraft des Glaubens“, kann nicht lange dauern. Obendrein hat das afghanische Volk das Schein-Paradies - in Wahrheit eine echte Hölle- der Taliban, die sie im Namen des Islams in Afghanistan errichtet haben, satt und wird sich über den Fall der Taliban sehr freuen.

Aus diesen Gründen kann in Afghanistan diesmal kein langfristiger und erfolgreicher Widerstand wie gegen die Russen erwartet werden. Es ist höchst wahrscheinlich, dass auf Druck der USA und ihren Verbündeten eine Regierung der nationalen Einheit gebildet wird und das Taliban-Regime nach der Eroberung Kabuls zusammenbricht. Wenn auch ein Teil von Fanatikern mit Osama bin Laden und seinen Männern auf die Berge fliehen und versuchen würde, einen Guerillakrieg zu führen, würde dieser im Falle der Isolation keinen langfristigen Erfolg haben.

Zweifellos würde eine Änderung der russischen und chinesischen Politik zur Verschiebung der Kräfteverhältnisse in Afghanistan führen. Aber die aktuelle Weltlage und die internationalen Beziehungen lassen solch einen Wechsel nicht erwarten. Es besteht natürlich die Möglichkeit eines Volksaufstandes oder eines Staatsstreiches gegen Muscharraf in Pakistan durch die Gegner der gegenwärtigen Politik. Solch eine Entwicklung würde den Krieg verlängern, aber die Entscheidung nicht beeinflussen. Denn in diesem Fall würde Pakistan selber das Ziel des Krieges und würde das gleiche Schicksal wie Afghanistan teilen.

Welche Auswirkungen, Reaktionen und Erschütterungen hätte der Krieg in der islamischen Welt und insgesamt auf internationaler Ebene ausgelöst, wenn er verursacht durch die abenteuerliche Politik von Israel oder durch die Erweiterung der Ziele der USA ausgeweitet würde? Würden diese sehr große Wirkungen haben? Natürlich würde es Folgen haben. Aber das Ausmaß und die Konsequenzen können nicht vorausgesagt werden.

Einige bewerten den Krieg gegen Afghanistan als ein Kreuzzug gegen die islamische Welt unter der Führung der USA. Diese These wird vor allem von Islamisten aufgestellt. Dadurch versuchen sie Emotionen bei Muslimen zu wecken und deren Unterstützung zu bekommen. Ein Teil der Linken teilt, wenn auch aus anderen Gründen, eine ähnliche Haltung. Aber die Wahrheit sieht anders aus.

Die Vergangenheit und die Gegenwart der amerikanischen Politik ist auch für uns kein Geheimnis. Die USA verfolgten bis heute die Interessen des Imperialismus und Kapitalismus und dienen auch heute bei der Errichtung der neuen Weltordnung den gleichen Zielen. Die USA und Europa sind nicht so dumm, eine Konfrontation mit der ganzen islamischen Welt vom Zaun zu brechen und einen sog. Krieg der „Zivilisationen“ oder Religionen zu entfachen. Solch eine Politik würde bedeuten, sich zu isolieren und aus einem Großteil der Welt zurückzuziehen, somit gegen ihre eigenen Interessen zu verstoßen.

Die USA und Europa kämpfen heute nicht gegen die islamische Welt, sondern gegen diejenigen fanatischen und anachronistischen Kräfte, die mit der Globalisierung und mit dem Veränderungsprozess auf der Welt nicht Schritt halten können - selbst wenn sie diese immer größer und stärker werdende Bedrohung mit eigenen Händen erschaffen haben. Diese Kräfte stellen nicht nur für sie, sondern auch für eine Milliarde Muslime eine ernstzunehmende Bedrohung dar.

Es stimmt, Osama bin Laden und die Taliban sind Werke der USA. Genauso wie die „Grauen Wölfe“ und „Mudschaheddin“, die bei uns die Massaker in Sivas und Maras verwirklicht haben. Wenn auch diese sich gegen die Politik der USA gestellt haben, haben sie der Menschheit und ihrem eigenen Volk nichts als Bosheit anzubieten. Um deren Schicksal zu trauern sollte nicht unsere Aufgabe sein. Im Gegenteil; es liegt im Interesse aller islamischen Völker von solchen unzeitgemäßen reaktionären Krankheiten befreit zu werden. Sie benötigen dies am meisten für Reformen und Modernisierung.

Das Problem als einen Konflikt zwischen Christen und Moslems darzustellen und Partei für Osama und die Taliban zu ergreifen, ist die schlimmste Haltung und hilft den Moslems nicht. Dass die politischen Islamisten den Fall so bewerten, ist aus ihrer Denkweise verständlich. Sie kritisieren die Taten der Taliban nur halbherzig und wollen in Wirklichkeit der ganzen Welt die gleiche Struktur verpassen. Das ist jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen. Denn der radikale Islam ist eine falsche Reaktion auf die Zeit und auf den Lauf der Welt und hat keine Chance auf Erfolg.

Ein Teil der Fanatiker in der christlichen Welt vereinfachen die Sache und legen eine dumme und irrige Haltung auf den Tag, indem sie die ganze islamische Welt und alle Menschen aus dem Nahen Osten, sogar alle Ausländer des Terrorismus bezichtigen. Wenn der Konflikt weiterhin so dargestellt wird, wird er im Laufe der Zeit einhergehend mit Fehlern auf beiden Seiten, in einen Kampf zwischen Christen und Moslems ausarten und ein großes Chaos und eine Tragödie für die Menschheit auslösen.

Was die islamischen Länder wirklich benötigen sind nicht Konflikte mit der christlichen Welt und mit anderen Ländern, sondern Reformen. Mit anderen Worten eine Abrechnung mit sich selber.

Auch islamische Gesellschaften haben sich gewiss im Laufe der Jahrhunderte verändert. Nicht alle islamischen Länder sind wie Afghanistan, Iran oder Saudi Arabien. Aber die Veränderungen sind nicht weitreichend und zeitgemäß. Die Reformen und Erneuerungen, die das Christentum vor 4-5 Jahrhunderten erlebte, hat der Islam noch nicht verwirklicht. Wenn die islamischen Länder sich aus ihrer heutigen wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Rückständigkeit befreien und die Gegenwart erreichen wollen, müssen sie unverzüglich Reformen einleiten. Dies kann nicht weiter durch Festhalten an Scharia geschehen, sondern sie müssen den Weg für eine neue Interpretation des Islams sowie für die Weiterentwicklung der Wissenschaft und Künste ebnen und eine grundlegende Renaissance in allen Lebensbereichen einleiten.

Dieses können weder die Mullahs wie in Iran und Afghanistan, die in der dunklen Vergangenheit leben, noch die dogmatischen Despoten wie Ölscheichs in Saudi Arabien schaffen, sondern fortschrittliche und zeitgemäße politische Führer, Wissenschaftler und Künstler sowie aufgeklärte religiöse Führer.

Solch eine Entwicklung würde den eine Milliarde Muslimen auf der Erde Brot, Bücher und ein zeitgemäßes und menschenwürdiges Leben bescheren und nicht die Feindseligkeit gegenüber den anderen und die Selbstisolierung.

Die Linke und die sozialistische Bewegung muss in dieser Zeit der Globalisierung mit ihren eigenen Werten, wie eine freie, demokratische und gerechte Welt, gegen den Kapitalismus und Imperialismus antreten und ihre eigenen Lösungsvorschläge für die bestehenden Probleme anbieten, und sich nicht hinter dem radikalen Islam verstecken.

Aus den nach Ende des kalten Krieges gegen die USA gerichteten Terrorattacken, vor allem aber aus den schockierenden Angriffen am 11. September, müssen die USA und Europa, also die reichen Wohlstandsgesellschaften, ihre Lehren ziehen und sich ebenfalls ändern.

Sie müssen verstehen, dass sie sich nicht mehr auf ihrer „Waffenherrschaft“ und der Ausbeutung ausruhen können. Sie müssen inzwischen begriffen haben, dass sie mit ihrem kapitalistischen Egoismus, ihrer Ignoranz und Erbarmungslosigkeit gegenüber den Problemen der restlichen Menschheit, auf ihren Paradiesinseln nicht mehr in Sicherheit leben können.

Stark zu sein gibt niemandem das Recht, die Sorgen der anderen zu ignorieren oder ihnen Übel anzutun. Jeder Fehler und jede Bosheit hat einen Preis. Nicht nur die Osamas, Talibans, Grauen Wölfe und andere Sorten von „Mudschaheddin“ sind ihre Werke, sondern auch biologische, chemische und nukleare Waffen. Sie haben seit Jahrzehnten solche Menschen und Waffen produziert. Auf solch einer Welt kann niemand seine ersehnte Ruhe haben.

Ein Sprichwort sagt, „Ein Unglück ist besser als tausend Ratschläge“.

Der Westen hat sich bis vor kurzem stark, unantastbar und sicher gefühlt und mit seinem Wohlstand, der auch zum Teil auf Kosten der Armen dieser Welt erlangt wurde, geprotzt. Er muss nunmehr umdenken und sich den Konflikten und Problemen dieser Welt widmen und nach Lösungen suchen, denn diese sind gleichzeitig seine eigenen Probleme.

Ich bin der Ansicht, dass die Menschheit nach dem Ende des Kalten Krieges einen neuen Kurs eingeschlagen hat und diesen Kurs weiterhin, wenn auch mit einigen Schwankungen, beibehalten wird. Dass Saddam Einhalt geboten und mit einer UN-Resolution für die Kurden im Südkurdistan eine Sicherheitszone errichtet wurde, waren die ersten Anzeichen eines neuen Kurses auf der internationalen Arena. Danach folgten die militärischen Eingriffe gegen die Tyrannei von Milosevic in Bosnien und Kosovo. Dieser neu begonnene Krieg gegen den wachsenden und die ganze Welt bedrohenden Terrorismus, wenn er auch andere Pläne und Absichten damit verfolgt, wird wieder in diese Richtung gehen und die internationale Zusammenarbeit bei der Lösung der gemeinsamen Problemen verstärken.

Sicherlich behaupte ich nicht, dass alles der Logik entsprechend verlaufen wird. Die USA haben schon jetzt die Waffenproduktion gesteigert. Gerade jetzt müssen jedoch die internationalen Konflikte in Angriff genommen und die Bemühungen für eine gerechte Welt intensiviert werden. Anderenfalls werden alle Mühe und Aufwand umsonst sein und das Tor für noch größere Bosheiten weit aufreißen.

Für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten muss nicht nur der Palästina-Konflikt zu einer gerechten Lösung zugeführt werden, sondern ebenso die Kurden-Frage. Gegen die Diktatoren, die rassistischen und repressiven Regimes, die alle Konflikte gewaltsam lösen wollen, muss klar Position bezogen werden.

Die internationale Gemeinschaft muss ihre gemeinsamen Anstrengungen für den weltweiten Kampf gegen Hunger, Epidemien, Unwissenheit und Flucht verstärken. Unsere Welt ist im Besitz dieser Mittel. Schon ein kleiner Teil der für die Aufrüstung ausgegebenen Mittel könnte zur Überwindung dieser Notlage beitragen.

Wenn die Menschheit in dieser Entwicklungsphase das nicht schaffen sollte, bedeutet dies, dass sie dieses leidvolle Leben verdient hat und in ein noch größeres Chaos hineinstürzen wird. Dies wäre eine Schande für eine Menschheit, die eine gigantische wissenschaftliche und technische Entwicklungsstufe erreicht hat.

PSK Bulten © 2001