Presseerklärung
Beitritt nicht um den Preis der Recht
der Kurden!
Wir haben die begründete Sorge, dass der EU die Türkei sowohl als Absatzmarkt,
als auch außenpolitisch von so großer Wichtigkeit ist, dass
sie bereit sein wird, bei den politischen Kriterien, insbesondere
was die Rechte des kurdischen Volkes angeht, große Zugeständnisse
zu machen.
Die EU-Kommission hat mit
ihrem Bericht grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
gegeben, obwohl die Türkei die mit den Kopenhagener Kriterien
festgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. Die Einschränkung,
die Beitrittsverhandlungen sofort stoppen zu können, sobald
die Türkei die demokratischen Prinzipien der EU missachtet,
dienen lediglich der Besänftigung
der Gegner und Kritiker.
Wie keine andere Regierung
zuvor hat die AKP-Regierung unzählige Reformen verabschiedet
und damit versucht, die Öffentlichkeit, insbesondere die EU,
zu blenden. Das ist ihr zwar nicht gelungen, doch die EU gibt
sich überzeugt. Sie sagt, die Türkei hätte mutig große Reformen
durchgeführt, und wiederholt damit, was die türkischen Führer
sagen.
Was hat sich in der Türkei
wirklich verändert? Gibt es wirklich keine systematische Folter
mehr? Die renommierten türkischen Menschenrechtsorganisationen
IHD (Menschenrechtsverein) und TIHV (Menschenrechtsstiftung)
widersprechen dem vehement! Nach wie vor ist es kaum möglich,
die Folterer vor Gericht anzuklagen!
Die Meinungsfreiheit wird
nach wie vor nicht garantiert. Die entsprechenden Gesetze
wurden nicht aufgehoben, sondern nur verschoben.
Der Geist der faschistischen
Militärjunta lebt in der Verfassung von 1982, im Nationalen Sicherheitsrat (MGK), im Hochschulrat (YÖK) und auch im Hohen Rat für Radio und Fernsehen (RTÜK)
weiter!
Was haben die vielgelobten
Reformen den Kurden gebracht? Eine wöchentlich halbstündige
staatliche Fernsehsendung in kurdischer Sprache sowie ein
oder zwei genehmigte Kurdischkurse. War das mit den kulturellen
und linguistischen Rechten der 20 Millionen Kurden in der
Türkei gemeint?
Was ist mit den zerstörten
Dörfern und den vertriebenen Menschen, die in den Slums der
Großstädte ein elendes Dasein in Armut führen? Werden ihre
Dörfer aufgebaut? Erhalten sie eine Entschädigung? Dürfen
sie überhaupt in ihre Dörfer zurück? Geradezu absurd ist es,
dass Militärs zur Zeit im Kreis Ovacik in Dersim die Wälder
abbrennen und das als Militär Operation deklarieren.
EU-Kommissar Verheugen hat
Hilfe der EU für die Rückführung der Dorfbewohner angeboten.
Doch der Wiederaufbau der Dörfer und die Rückführung kommt
noch immer nicht in Gang, weil der türkische Staat es nicht
will. Ziel des Schmutzigen Krieges war es, die Kurden aus
ihrem Land zu vertreiben, ihre Sprache, Kultur, ja ihre Existenz
zu zerstören. Diese Politik wird bis heute unverändert fortgesetzt.
Dieses Bild zeigt ganz deutlich,
dass die Türkei wirklich keine Fortschritte gemacht hat, die
es rechtfertigen würden, ihr ein Datum für Beitrittsverhandlungen
zu nennen.
Deshalb ist unbedingt große
Wachsamkeit geboten, falls die Türkei im Dezember den Kandidatenstatus
erhält!
Wir rufen Parlamentarier und
Nichtregierungsorganisationen auf, die Türkei auf dem Weg
in die EU wachsam und kritisch zu begleiten. Vergessen wir
nicht: nicht die EU soll sich der Türkei anpassen, sondern
die Türkei der EU!
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