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Die Schockierenden Anschläge vom 11. September und welche Lehren man daraus ziehen kann

Kemal BURKAY

Die Terroranschläge in den USA, die mithilfe entführter Flugzeuge realisiert wurden, haben nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern die gesamte Welt schockiert. Die berühmten Zwillingstürme des World Trade Centers in New York sind dem Erdboden gleich gemacht worden. Man rechnet mit Zehntausenden Toten. Ein Teil des Pentagons, des bombastischen Kriegsapparats der USA, ist in sich zusammengefallen, wobei ebenfalls von etwa 800 Toten die Rede ist. Das Prestige der USA, der einzigen Supermacht, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch verblieben ist, hat erheblich gelitten.

48 Stunden sind seit dem Anschlag vergangen. Die Gruppe, die den Anschlag verübt hat, sowie ihre Hintermänner sind noch nicht eindeutig ermittelt. Die derzeitigen Verdächtigungen und Beweise konzentrieren sich aber auf den saudischen Geschäftsmann Osama Bin Laden. Bin Laden, der sich in den letzten Jahren in Afghanistan aufhält, hat bereits gegen US-Botschaften in verschiedenen Staaten eine Reihe von Anschlägen verübt.

Wenn man nicht nur im Ausland, sondern auch in den USA damit rechnete, dass es neue Terroranschläge gegen die USA insbesondere von fanatischen islamistischen Gruppen geben könnte, so hat doch niemand einen Anschlag dieses Ausmaßes erwartet. Die Realität hat sich so abgespielt, wie man es bislang nur aus Science-Fiction-Filmen kannte. Die USA waren völlig unvorbereitet, so dass die Zerstörung verheerend war.

Im Moment ist auch die Reaktion gegen den Anschlag entsprechend groß. Die Staatspräsidenten fast aller Länder, außer dem Diktator des Irak, Saddam Hussein, verurteilen den Anschlag. Die NATO hat erstmalig das Vorliegen von Art. 5 festgestellt und den Anschlag als einen Angriff gegen alle Partnerstaaten gewertet. Die USA bereitet sich auf eine heftige Vergeltung gegenüber der Gruppe, die den Anschlag verübte und ihre Unterstützer und Helfer vor, sie versucht wie bereits beim Golfkrieg eine umfassende Koalition zu bilden. Die US-Verantwortlichen haben sogar angekündigt, gegebenenfalls Nuklearwaffen einsetzen zu wollen.

Die Tage und Monate, die vor uns liegen, gehen mit bedeutenden Ereignissen schwanger. Viele Kommentatoren reden davon, der 11. September wäre der Beginn eines neuen Zeitalters, es werde zu bedeutenden Veränderungen kommen.

Was kann alles geschehen? Die USA und ihre Verbündeten könnten sich auf militärische Operationen einlassen, um den „Terrorismus auszurotten“. Das kann soweit gehen, dass einigen Ländern der Krieg erklärt wird. Dabei könnten vor allem der Mittlere Osten, Afghanistan, Irak, Palästina, ja sogar der Iran und Syrien betroffen sein. Israel hat bereits jetzt die Gelegenheit genutzt und ist mit Panzern und Artillerie in die autonomen Palästinensergebiete eingedrungen und hat die Zerstörung und Erdmordung der Bevölkerung vorangetrieben.

Die Verteidigungsstrategie der USA und der NATO wird überarbeitet. Die These, dass der Terrorismus ein „globaler Feind“ ist, wird gestärkt und entsprechende gemeinsame Maßnahmen ergriffen. Auch Russland und China können dabei Unterstützung leisten. Denn jeder hat seine eigene Wunde, seinen eigenen „terroristischen Feind“. Früher benutzten sie sie gegeneinander, jetzt wiederum sind sie zu einem Konsens gekommen und werden versuchen, ihn gemeinsam zu vernichten.

Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Ausgaben für Sicherheit und Rüstung in den westlichen Ländern, vor allem in den USA bedeutend ansteigen. Man kann eine „Terroristenjagd“, zumindest jedoch konzentrierte Maßnahmen gegenüber „potentiellen Terroristen“ beobachten; es kann zu verstärkter Überwachung, Verdächtigungen, zu einem Paranoia, einer Art Welle von McCarthysmus kommen.

Aber ist das die Lösung der Probleme, das heißt reicht das alles aus, um die Sorgen in der westlichen Welt – lassen wir die übrige Welt einmal beiseite - mit ihrer wirtschaftlichen und militärischen Macht, ihrem allgemeinen Wohlstand zu beseitigen?

Eindeutig nein! Lassen wir einmal Länder wie die Türkei, deren körperlich und geistig behinderte Regierungskräfte beharrlich versuchen, heutzutage die Tradition von Barbarei aufrecht zu erhalten und gegenüber Problemen keinen anderen Weg, keine andere Methode als Gewalt kennen, beiseite; aber die USA und vor allem die Regierenden der Länder in Europa sollten doch eigentlich so klug und erfahren sein, dass sie wissen sollten, dass man allein mit Gewalt und derartigen Maßnahmen die Probleme nicht lösen kann.

Wie bei jedem anderen Problem muss man auch beim Terrorismus schauen, unter welchen Umständen er hervorgegangen ist, welche Ursachen er hat. Solange diese Ursachen nicht beseitigt sind, solange diese Umstände nicht verändert wurden, kann der Terrorismus nicht verhindert werden.

Terroranschläge, die Zivilisten und unschuldige Menschen das Leben kosten oder ihnen großen Kummer zufügen, sind sicherlich verabscheuenswert. Wer immer so etwas begeht, ist zu verurteilen. Außerdem können sie keinem „edlen“ Zweck dienen. Aber wenn man nur die Terroristen für den Terrorismus verantwortlich macht, dann ist das eine sehr oberflächliche Sichtweise und trügerisch.

In vielen Fällen ist die Ursache für den Terrorismus die Grausamkeit, die Ungerechtigkeit der Mächtigen, die sich über den Terrorismus beklagen. Solange in unserer Welt nicht auf nationaler und internationaler Ebene die großen Ungerechtigkeiten, die Unterdrückung verhindert wird, solange Gewalt als Mittel von den Mächtigen, allen voran von den Staaten über die Grenzen hinweg und ohne irgendein Maß angewendet wird, so wird es unvermeidlich immer auch deren Gegenstück geben.

Die Ursache, die die Terroranschläge gegen die USA entfacht hat, sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Brände in Palästina und Afghanistan. Diese Brände haben aber nicht die unterdrückten, armen Völker von Afghanistan und Palästina ausgelöst, sondern sie sind den großen internationalen Konflikten zum Opfer gefallen.

Sind denn zum Beispiel die radikalen und fanatischen islamistischen Strömungen, über die sich der Westen so beklagt, nicht das Produkt der Politik des „Grünen [1] Gürtels“, die vor allem die USA in den Zeiten des kalten Krieges gegen die Sowjetunion verfolgt hat? Sowohl die USA, als auch die diktatorischen Regime der Region haben den Islam als Gegengift gegen den Kommunismus und ganz pauschal gegen die linken und demokratischen Kräfte geplant, genährt und angeheizt. Was bedeutet, dass sie nunmehr nur ernten, was sie gesät haben.

Daher gilt es, in unserer Welt vor allem derartige Kriegs- und Konfliktherde zu löschen. Das aber geht nicht mit Panzern, Artillerie, Kampfflugzeugen und Atomwaffen. Das funktioniert nur durch Politik, mit Gewissen. Die Lösung der Probleme muss auf der Basis von Dialog, Aussöhnung und einem gerechten Frieden stattfinden. Und die Lösungen, die zu finden sind, müssen vernünftige, gerechte Lösungen sein, die von allen Seiten akzeptiert werden.

Wenn die jüngsten Anschläge eine Lehre für die USA und die gesamte Menschheit sein sollten, dann besagt sie vor allem folgendes: Nur mit militärischer Macht kann man keine Sicherheit gewährleisten. Es ist nicht zu verhindern, dass selbst die größten Militärkomplexe, die ausgeklügeltsten Maßnahmen ihr Schwächen haben. Man darf nicht nur auf technologische Überlegenheit vertrauen. Denn diese Technologie kann jemand, der Geld hat, oder ein Dieb ebenso benutzen wie die Supermacht USA oder eine kleine Gruppe sie benutzen kann.

Solange in unserer Welt Kriegsherde lodern, solange es derartige Ungerechtigkeit und Unterdrückung gibt, kann sich kein Land in Sicherheit wähnen. Solange es in unserer Welt soviel Ausbeutung und Armut gibt, solange ein Teil der Welt egoistisch in Luxus lebt und ein anderer Teil Armut und Hunger leidet, wird es auf der Welt keinen Frieden geben, wird niemand ruhig schlafen können.

Daher ist das, was zu tun ist, Gerechtigkeit für jeden in der Welt, für alle Nationen, für alle unterschiedlichen Gruppen zu schaffen, die Rechte aller Menschen und aller Nationen zu respektieren und das Problem der Armut zu lösen.

Ein beständiger, universeller Frieden in unserer Welt kann nur so geschaffen werden. Sicherheit wiederum wird nicht stark, wenn sie sich auf Waffen und Drohungen stützt, sondern wenn sie auf einem solchen Frieden basiert.

Nach diesen schockierenden Anschlägen, mit denen die USA konfrontiert wurden, haben auch die körperlich und geistig behinderten Regierenden in der Türkei versucht, einen Teil für sich abzugewinnen. Fast im Chor proklamieren sie: „Die Türkei hat stark unter Terror gelitten. Seht nun, wir haben Recht behalten! Das soll den Europäern eine Lehre sein!“ Auf diese weise versuchen sie, ihre Politik des Leugnens und des Terrors, die sie jahrelang, jahrzehntelang gegenüber dem kurdischen Volk verfolgt haben, zu rechtfertigen.

Dies ist eine hässliche, eine unverschämte Verdrehung der Tatsachen, es ist Demagogie. Die Türkei hat nicht Recht behalten. Die Türkei hat nicht gegen den Terror gekämpft. Dieses Regime, das seit der Zeit der Osmanen mit seinen Völkermorden, seiner Barbarei, seiner Folterpolitik berühmt ist, hat nicht gegen Terror, sondern gegen das unterdrückte kurdische Volk, das für seine legitimen Rechte kämpft, gegen die Linke, ja ganz pauschal gegen die Kräfte des Landes, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzen, gekämpft. Das, was sie als Terror bezeichnen, ist das Produkt ihrer Unterdrückung. Sie haben sogar einen Teil der Terrororganisationen selbst geschaffen, nur um ein Argument für ihre Gewaltpolitik zu bekommen und sie für bestimmte Ziele zu benutzen, und sie haben sie mittels Agenten geführt. Würde man den Kurden ihre Rechte zuerkennen, würde man die Menschenrechte achten, so würde es in der Türkei keinen Terror geben.

Ja ist denn der Terror einzelner Personen oder Gruppen schlecht und die Unterdrückung und der Terror von Staaten legal?

Die Haltung dieser Herren, die sich anschicken, Völkermord, Folter und Barbarei der zivilisierten Welt als Beispiel vorzuführen, ist nicht nur komisch als sondern auch widerlich.

Mit solch einer Logik kann man keine Probleme lösen, im Gegenteil, sie werden nur noch schwieriger, noch größer. Auch der türkische Staat hat den Konflikt nicht gelöst, als er Kurdistan auf den Kopf stellte, 4000 kurdische Dörfer und zig Kleinstädte zerstörte, 4-5 Millionen Kurden aus ihrem Land vertrieb und 30.000 dahinschlachtete.

Aus den Anschlägen von New York und Washington sollten in erster Linie die Regierenden in der Türkei eine Lehre ziehen. Es wurde wieder einmal vor Augen geführt, dass es nicht ausreicht, mächtig zu sein, um auch in Sicherheit leben zu können. Selbst die ausgefeiltesten Kriegsmaschinerien sind manchmal nutzlos. Gewalt erzeugt nur eine endlose Spirale von Gegengewalt.

Diese Tatsache sollte vor allem den Regierenden der Türkei aufgehen. Sie sollten lernen, die Probleme des türkischen und kurdischen Volkes vernünftig, durch den Dialog und mit friedlichen Mitteln zu lösen, ehe es zu noch schlimmeren Katastrophen kommt. Sie sollten dem türkischen Volk Demokratie und dem kurdischen Volk Freiheit zuerkennen. Und in der Außenpolitik sollten sie aufhören, ständig ihre Macht zu beweisen.

Nur so kann man „Frieden im Land, Frieden in der Welt [2] “ schaffen.



[1] grün als Farbe des Islam, A.d.Ü.

[2] berühmtes Zitat des Staatsgründers Atatürk, A.d.Ü.

PSK Bulten © 2001