PRESSEERKLÄRUNG
Türkei lässt die Maske fallen:
- Staatliche Generalmobilmachung gegen die Forderung “Bildung in Kurdischer
Sprache” - Kurdische Studenten verhaftet, geschlagen, gefoltert und als Separatist
gebrandmarkt.
Als im letzten Jahr die türkische Verfassung “reformiert” wurde
und darin das ausdrückliche Verbot der kurdischen Sprache nicht zu finden war,
werteten dies zahlreiche europäische Politiker als einen wichtigen Schritt in
die richtige Richtung. Die Türkei versuchte geschickt zu lavieren und durch diese Auslassung
die wirkliche Erfüllung der Kopenhagener Kriterien zu umgehen. Doch Artikel 42
der türkischen Verfassung stellte sie wieder klar: “In Erziehungs- und Unterrichtsanstalten
darf türkischen Staatsbürgern keine andere Sprache als Türkisch als Muttersprache
gelehrt oder im Unterricht verwendet werden.” Am
20. November 2001 starteten an der Istanbuler Universität 200 kurdische Studenten
eine Kampagne mit der Forderung nach Bildung in ihrer Muttersprache kurdisch,
die sich in Windeseile quer durch die Türkei ausbreitete und auch auf Schulen
übergriff. Die Zahl der Anträge erhöhte sich laut türkischer Zeitung Hürriyet
auf 10.608 (18.01.2002). Die Aktionsform war denkbar friedlich: Studenten und
Schüler reichten Einzelanträge oder Unterschriftenlisten bei ihren Dekanen oder
Schulverwaltungen ein. Diese weigerten sich jedoch, die Anträge entgegenzunehmen.
Die Kampagne läuft weiter, und auch die Gewalt gegen die Studenten und Schüler. Innenminister
Yücelen bewertete die Kampagne für den Muttersprachlichen Unterricht in kurdisch
als eine klare separatistische Aktion und gab die Anweisung, die Anträge strikt
abzulehnen und die Antragsteller, die in der Logik dann dadurch eine Straftat
begangen haben, zu verhaften. Daraufhin wurden die berüchtigten Staatssicherheitsgerichte
(SSG) eingeschaltet, die gegen die Antragsteller vorgehen. Der Staatsanwalt der
SSG in Istanbul beauftragte sogar der “Anti-Terror-Abteilung der Polizei” mit
der Verfolgung der Antragsteller. Der Hochschulrat
YÖK machte seine Drohung wahr und hat angefangen die Antragsteller mit Ausschluss
von den Universitäten von einem Monat bis zu zwei Semestern zu bestrafen. Die
Türkei hat sichtbar für die Öffentlichkeit ihre Maske fallen lassen: Der repressive
und brutale Umgang mit den kurdischen Studenten und Schüler, die sich an dieser
friedlichen Kampagne beteiligen, zeigt deutlich, dass das türkische Regime noch
weit davon entfernt ist, offen und öffentlich, ohne Repressionen über Menschenrechte,
über Individual-, Gruppen- und Minderheitenrechte zu sprechen. Stattdessen zitiert
sie ihre eigenen Gesetze und bestraft dementsprechend. Die
Kampagne tut nichts anderes, als ein linguistisches Menschenrecht zu fordern.
Der paranoide Umgang der Türkei mit der kurdischen Sprache macht hier noch einmal
deutlich wie weit die Türkei von den europäischen Normen und Werten entfernt ist.
Seit Jahren genießen die Kinder der kurdischen Immigranten in den Bundesländern
Bremen, Nieder-sachsen und Nordrhein-Westfalen oder beispielsweise in Schweden
Muttersprachlichen Unterricht in kurdisch, die staatlich gefördert und unterstütz
wird. Aber Millionen kurdischen Kindern türkischer Staatsbürger wird dieses Recht
mit allen brutalen Mitteln verweigert. - Wir fordern das Europarat, die Europäische
Union, und ihre Institutionen dringend auf, gegen das Vorgehen der türkischen
Regierung in der Frage zum Recht des kurdischen Volkes auf seine Muttersprache
nicht zuzuschauen, sondern die Türkei zur unverzüglichen Rückkehr zu den europäischen
Normen und Werten anzumahnen. - Wir fordern
die türkische Regierung auf, die Forderungen der Kurden “Bildung in kurdischer
Sprache” zu erfüllen und ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich der
Menschenrechte nachzukommen. Der
Vorstand
Bonn, 23. Januar 2002 Sertac
Bucak, Vorsitzender Internationaler Verein
für Menschenrechte der Kurden - IMK e.V. P. O. Box 20
07 38 D - 53137 Bonn Phone + 49 - 228 - 362802 Fax + 49 - 228
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