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zu den Fragen von Frau Ulla JelpkePDS Ein Interview
mit dem Büroleiter für Auswärtige Beziehungen der Sozialistischen Partei Kurdistans
(PSK), E. Havin, bezüglich der Angriffspläne der USA gegen den Irak 1.
Die US-Regierung scheint zu einem Krieg gegen die Regierung Saddam in Irak
fest entschlossen. Welche Position vertritt die PSK gegenüber diesen Plänen der
USA? Wie in ihrem Afghanistan-Krieg führen die USA einen Krieg gegen
das Saddam-Regime für ihre eigenen Interessen. Der „Kampf gegen den Terrorismus“
ist lediglich ein Vorwand. Die ist ein Versuch der USA, vor allem der Waffen-
und Ölmonopole, in der neuen Phase die Welt zu gestalten. Unsere Ansichten
bezüglich der von den USA gegen das Saddam-Regime geplanten Krieg entsprechen
in den Hauptpunkten die der Demokratischen Partei Kurdistans. Diejenigen, die
unter Saddam am meisten gelitten haben und das Angriffsziel seines Terrors sind,
sind hauptsächlich die Kurden. Das Irakische Regime zerstört seit Jahren Kurdistan.
Gegen die Kurden wurde sogar Giftgas eingesetzt. Bedauerlicherweise hat die Welt
damals geschwiegen. Die USA hat 1975 durch ihren Außenminister Kissinger
mit dem Versprechen die Kurden zu unterstützen, in den Krieg getrieben und sie
aber dann fallen lassen. Der Krieg führte damals zu einer erbitterten Niederlage
der kurdischen Nationalbewegung. Zu letzt hat Vater Bush während des Golfkrieges
1990-91 die Kurden und Schiiten zu einem Aufstand motiviert, aber sie dann schließlich
alleine gelassen. Die Kurden haben diese bitteren Spiele nicht vergessen und sie
dürfen sie auch nicht vergessen. Sie dürfen nicht alleine wegen den Interessen
der USA in den Krieg ziehen. Auf der anderen Seite ist aus der Sicht der
Kurden und des gesamten irakischen Volkes keine Lösung, wenn alleine Saddam geht.
Wenn mit seinem Sturz keine positiven Änderungen im Irak erfolgen und
wenn ein Diktator geht und ein anderer kommt, wozu besteht dann die Notwendigkeit
eines Krieges. Aber wenn nach Saddam ein demokratischer und ein föderaler Irak
entsteht, werden die Kurden und jeder in diesem Land einen Nutzen davon haben.
Die Kurden würden dieser Umgestaltung Unterstützung gewähren, wenn dafür Sicherheiten
vorliegen. 2. Talabani hat ABC-Einheiten
der Bundeswehr nach Kurdistan gefordert, um die kurdischen Gebieten gegen Angriffe
Saddams zu schützen. Was sagt die PSK zu solchen Forderungen? In einem
solchen Krieg, der USA und ihren Verbündeten Unterstützung zu gewähren, ist es
offensichtlich, dass die Kurden sich in ein Risiko begeben würden. Die Raketen
und die Panzer von Saddam können zwar nicht die USA, aber sehr leicht die kurdischen
Städte erreichen. Falls er im Besitz von biologischen und chemischen Waffen ist
- diese sind mit großer Wahrscheinlichkeit existent - könnte er diese als letzte
Verzweiflungsakt, wie ein Selbstmordattentäter- gegen das wehrlose kurdische Volk
einsetzen. Aus diesem Grunde müssen die USA und ihre Verbündeten zum Schutze
der Menschen in der Region ernsthafte Vorkehrungen treffen. 3.
Wenn Kurden im Irak auf der Seite der USA kämpfen, schaden sie damit nicht
am Ende selbst? Selbstverständlich könnte es ihnen Schaden. Ich habe
dies oben erwähnt. Aber in einigen Situationen können aus dem Krieg positive Ergebnisse
sich entwickeln. So ist es auch am Ende des Golfkrieges gewesen. Die Kurden
haben am Ende des Golfkrieges einiges gewonnen. Derzeit haben sie unter dem Schutz
der Alliierten im Norden des 36. Grades ein freies und unabhängiges Leben. Sie
haben Parlamente und Regierungen. Sie bauen mit dem Anteil der Einkünfte aus dem
UN-Programm „Oil for Food“ ihr Land auf. Es gibt eine relativ demokratische
und kulturelle Entwicklung. Die Kurden würden nicht wollen, dass sie durch einen
Krieg, dessen Ausgang nicht absehbar ist, ihre bisherigen Errungenschaften
verlieren. Wenn nach dem Krieg ein föderaler Irak entsteht und die Kurden
ein Bestandteil davon sind und dieser Status international anerkannt wird, ist
auch dies aus der Sicht der Kurden ein Gewinn. 4.
Die Türkei durfte bei einem Krieg gegen Saddam nicht zuschauen. Wie sollen
die Kurden reagieren, wenn die türkische Armee im Irak einmarschiert? Die
Türkei hat kein Recht dazu. Wir sind vehement gegen einen Einmarsch der Türkei
in den Irak und in Südkurdistan. Welches Regime in Irak entstehen soll, sollen
die Menschen in Irak entscheiden. Die Kurden werden sich gegen eine Besatzung
der Türkei wehren. 5. Wie soll sich
die kurdische Jugend in der Türkei in einem solchen Fall verhalten? Gibt es Aufrufe
der PSK oder anderer kurdischer Parteien, den Kriegsdienst in der türkischen Armee
zu verweigern oder zu desertieren? Wir haben uns schon immer gegen
die aggressiven Pläne und Einmischung der Türkei gegen ihre Nachbarn und
vor allem gegen Südkurdistan ausgesprochen und bei jeder Gelegenheit mittels Erklärungen,
Berichte und Aufrufen die Öffentlichkeit informiert. Unsere Botschaft gilt zugleich
für kurdische und türkische Jugendliche, die für die militaristischen und aggressiven
Ziele des türkischen Regimes in den Krieg geschickt werden. 6.
Gibt es Bemühungen der PSK, mit anderen kurdischen Parteien eine gemeinsame
Politik für den Fall eines Krieges der USA gegen Saddam und eines Einmarsches
der türkischen Armee in die kurdischen Gebiete im Nord-Irak zu entwickeln? Zum
gemeinsamen Auswerten der Entwicklungen haben wir Vorschläge den anderen führenden
Parteien unterbreitet, aber die beiden kurdischen Parteien in Südkurdistan (KDP
und PUK) sehen derzeit keine Notwendigkeit dafür. 7.
Wie sollte sich die Friedensbewegung in Europa und die kurdische Exilbevölkerung
in Europa zu einem solchen Krieg der USA gegen Saddam verhalten? Wir
Kurden sind in dem Krieg zwischen der USA und Saddam nicht parteiisch. Aber wir
wären damit zufrieden, wenn am Ende des Krieges das Saddam-Regime gestürzt ist
und dafür ein demokratisches und föderales System errichtet wird. Saddam ist ein
unbarmherziger Diktator. Seinen Widerstand gegen die USA betrachten wir nicht
als einen „antiimperialistischen“ Akt. Es ist auch die irrationale, falsche
und abenteuerliche Politik des von Saddam vertretenen chauvinistischen Baath-Regimes,
die zu diesem tragischen Zustand für die irakischen Völker bzw.
für Kurden und Araber geführt hat. Hätte dieses Regime hätte den Kurden
Rechte zuerkannt, könnte es in einem friedlichen Koexistenz das Land entwickeln.
Stattdessen hat es jahrzehntelang einen Krieg gegen die Kurden geführt und das
Land von einem Unheil in das andere getrieben. (Zuerst 8 Jahre lang gegen den
Iran, anschließend die Besetzung Kuwaits) Wir sind der Ansicht, dass die
Friedensbewegung, die zurecht gegen einen Krieg ist, die obengenannten Aspekte
in ihre Überlegungen einbeziehen sollte. --------------------- (*)
Frau Ulla Jelpke ist Mitglied der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)
und Abgeordnete des Bundestages. Sie ist in ihrer Partei verantwortlich für die
außenpolitischen Beziehungen. |