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Wenn man sich die türkischen Politiker anhört ...

von Cemil Baran

Wenn man sich in diesen Tagen die türkischen Politiker so anhört, wenn man die Kommentare in den Kolumnen der türkischen Presse verfolgt, wenn man den Kommentatoren im türkischen Fernsehen zuhört, so ist es unvermeidbar, in Rage zu geraten. Außer einigen wenigen Kolumnisten, die ihre Persönlichkeit und einen gesunden Menschenverstand bewahrt haben, verdrehen sie die Tatsachen in schier unglaublicher Weise und versuchen dabei, die Öffentlichkeit im In- und Ausland für dumm zu verkaufen.

So als seien sie darauf programmiert, wiederholen sie sich gebetsmühlenartig:

„Die Türkei hat jahrelang gegen den Terror gekämpft, wir aber haben Europa und Amerika nicht davon überzeugen können. Hoffentlich werden sie uns jetzt besser verstehen.“

Haben diese Worte irgend etwas mit der Realität zu tun? Hat denn die Türkei tatsächlich gegen Terror gekämpft, oder war es nicht vielmehr die unschuldige kurdische Nation, deren Land sie besetzt hält, denen sie die Rechte vorenthält und die sie gnadenlos unterdrückt und ausbeutet?

20 Millionen Kurden allein in Nordkurdistan, also dem Teil innerhalb der türkischen Grenzen, zu verbieten, in ihrer Muttersprache zu lesen und zu schreiben, Lieder in ihrer Sprache zu singen, zu sprechen, ja sich kurdische Namen zu geben – ist das etwa ein Kampf gegen den Terror?

Und was ist mit den „Morden unbekannter Täter“, denen Tausende kurdischer und türkischer Intellektueller, die sich gegen diese Politik aussprechen, zum Opfer gefallen sind? Nennt sich also das Bekämpfung des Terrors?

Es zeugt von Unvernunft und dient nicht den Interessen der Türkei und des türkischen Volkes, wenn die Politiker die Tatsachen so verdrehen und, was den Terror angeht, ständig Lügen auftischen. Das Ergebnis dieser Politik liegt auf der Hand: das Land ist heruntergekommen, Krisen, Korruption, Armut, Folter, Unterdrückung sind die Regel. Dennoch beharren sie auf diese Politik und man fragt sich, ob das klug ist.

Die Situation in der Türkei zeigt, dass man kann ein Land nicht mit Lügen und Demagogie regieren kann.

Selbst ich, als jemand der dieses Land recht gut kennt, wundere mich noch darüber, dass das Niveau in der Politik und in den Medien so niedrig ist.

Es ist klar, dass sie mit der Terrorbekämpfung die PKK, die Hizbullah und ähnliche Organisationen meinen. Aber sind diese nicht die Produkte ihrer eigenen Unterdrückungspolitik? Haben sie sie nicht mit Hilfe ihres eigenen Geheimdienstes erst aufgebaut?

Öcalan selbst hat jahrelang in zahlreichen seiner Reden, Schriften und Interviews gesagt, die PKK sei vom türkischen Regime aufgebaut worden. Zitat: „Ich war von allen Seiten von MIT-Agenten umgeben. Drei Jahre lang [bis zum Putsch vom 12. September] hat der Staat uns mit Brot und Waffen versorgt, selbst für unseren Schutz hat er gesorgt. Was von uns verlangt wurde, war, gegen die übrigen kurdischen Organisationen zu kämpfen. Und wir haben drei Jahre lang alles getan, was man von uns verlangte ...“

Öcalans Aussage ist eindeutig. Im Grunde genommen weiß das jeder, der die türkische Politik versteht und das Geschehen beobachtet, seit Jahren. Der türkische Staat selbst Die hat die PKK geschaffen; später aber sind ihm die Zügel entglitten und Syrien, der Iran etc. haben sie zwischenzeitlich instrumentalisieren können. Jetzt hat die Türkei die Zügel allerdings zurückerobert.

Genau wie Osama Bin Laden mit seiner Organisation, die die USA gegen die Sowjetunion organisiert hatte, und deren Zügel ihr mit der Zeit entglitten sind ...

Und was ist mit der Hizbullah? Auch diese Organisation wurde vom türkischen Staat geschaffen. Deren Mitglieder wurden in den Lagern der Gendarmerie ausgebildet. Ihre Aktionen sind von türkischen Offizieren und Polizisten gelenkt worden. Aber nachdem die PKK kapituliert und die Voraussetzungen sich geändert hatten, bestand auch für die Hizbullah kein Bedarf mehr. Genau wie auch Hitler irgendwann die SA nicht mehr brauchte.

Staaten sind gnadenlos. Sie machen es so wie in „der Fürst“ von Machiavelli. Wenn es sein muss, verheizen sie selbst ihre eigenen Leute.

Es zeugt von politischer Unbedarftheit, diese Tatsache nicht zu bemerken. Die Autoren der türkischen Medien hingegen, diese schamlosen Lügner, sind sich dieser Tatsachen sehr wohl bewusst, sie sagen es jedoch nicht. Die türkischen Staatsmänner, ebenso wie ihre Schreiberlinge, belügen das türkische Volk und die ganze Welt.

Die Ursache für soviel vergossenes Blut, zerstörte Familien, niedergebrannte Dörfer, herausgeworfenes Geld, für so viel Leid und Armut sind sie selbst. Es ist eine Unverschämtheit, andere dafür verantwortlich zu machen.

Lasst uns diese verleumderischen Behauptungen einmal von einer anderen Perspektive betrachten. Sie sagen: „Als wir gegen den Terror kämpften, haben die Amerikaner und Europäer geschwiegen, ja, sie haben sogar den Terror unterstützt, haben die Terroristen unterhalten ...“

Wenn mit Terror die „PKK-Aktionen“, wie sie es ausdrücken, gemeint ist, dann ist dieser Vorwurf unverständlich. Haben nicht die europäischen Staaten, allen voran Deutschland, aber auch Frankreich, England und die anderen die PKK und sogar ihre Nebenorganisationen verboten, weil sie sich einerseits durch deren Gewaltaktionen in ihren Ländern gestört fühlten, andererseits aber auch der Türkei gefallen wollten? Haben sie nicht eine große Anzahl der Aktivisten verhaftet und vor Gericht gestellt?

Wenn diese Länder tatsächlich die PKK unterstützt haben, wieso hat Abdullah Öcalan dann in keinem dieser Länder ein Visum oder Asyl erhalten?

Waren es nicht die USA, die ihn in Kenia ausfindig machten, ihn einfangen ließen und der Türkei auslieferten?

Sind es nicht die USA und die Europäische Union, die sich gegenüber dem Sprachen- und Medienverbot für Kurden in der Türkei mit Erklärungen und Empfehlungen begnügen, andererseits aber die Türkei mit Geld und Waffen und auch politisch unterstützen? Erhalten etwa wir Kurden vom IWF Zehnmilliarden von US-Dollar? Und was ist mit der Waffenausrüstung durch die NATO und dem Schutz?

Klar ist jedoch, dass die türkischen Politiker und die Medien, wenn sie von „Terroristen“ sprechen, nicht nur die PKK, sondern die gesamten kurdischen Organisationen, die kurdischen Vereine, ja sogar die Kurden an sich meinen.

Die wirtschaftliche, politische und militärische Unterstützung, die sie erhalten, halten sie wiederum für unzureichend. Wahrscheinlich möchten sie, dass auch die Europäer die kurdischen Namen und die kurdische Sprache verbieten und die Kurden ins Gefängnis werfen, so wie sie es selbst praktizieren.

Das ist eine typische Unterdrückermentalität!

Ein anderer Aspekt: Lassen wir einmal die Rolle der Türkei beim Auftreten der PKK und der Hizbullah beiseite – wendet sich die Türkei wirklich gegen jede Form von Terror?

Auch diesbezüglich werfen die türkischen Regierenden und die Presse mit Lügen nur so um sich. Ihre wohlwollende Haltung gegenüber bestimmten Gruppen bzw. Kräften ist offensichtlich. Die Türkei hat diese Terroristen unter der Hand mit Waffen und Geld unterstützt. Diejenigen, die damals auf dem Schwarzen Meer das russische Schiff entführten, wurden nicht wie Terroristen behandelt, man tat so, als wolle man sie vor Gericht stellen, ließ sie dann später aber einfach frei. Diese schlugen erneut zu.

Die Türkei hat auch die Muslim-Bruderschaft gegen Syrien unterstützt.

Sie hat bei zahlreichen Morden des iranischen Geheimdienstes auf dem Boden der Türkei ihre Augen zugedrückt.

Und was noch bedeutender ist, sind die vielen Komplotts, Attacken und Morde, die von staatlich gelenkten Terrororganisationen wie der Konterguerilla und der JITEM (Geheimorganisation der Gendarmerie) sowohl im Inland, als auch im Ausland, wie z.B. in Europa, im Kaukasus und in Zentralasien verübt wurden. Kriminelle und Mafia ähnliche Banden, die mit Hilfe von Personen wie Ali Çatlı und Alaettin Çakıcı gegründet wurden, ein Netz von Rauschgift- und Schwarzgeldhändlern, das über Umsätze von mehreren Hundertmilliarden Dollar pro Jahr verfügt.

Wie man sieht, sind die türkischen Politiker und deren Schreiberlinge sehr versiert im Verdrehen von Tatsachen. Es sieht so aus, als wollten sie das türkische Regime, diese Unterdrückungs- und Foltermaschinerie, wie sie auf der Welt nur selten vorkommt, diesen terroristischen Staat von jeder Schuld reinwaschen. Die Schuld lasten sie wiederum den Europäern an.

Sie versuchen die ganze Welt für dumm zu verkaufen, allen voran die eigene inländische Öffentlichkeit. Aber die Menschen sind nicht blind. Niemand glaubt an diese Lügen. Allen voran sind es die Türken selbst, die Rechenschaft für diese Lügen fordern müssen.

Sie müssen sagen: „Ihr habt uns jahrelang angelogen!“ „Die Terrororganisationen sind Euer Werk! Ihr habt die PKK und die Hizbullah gegründet!“ „Ihr seid es, die es durch Unterdrückung und Terror so weit gebracht haben, statt die Rechte der Kurden anzuerkennen und dem Land Frieden und Demokratie zu bringen! Ihr seid die Mörder unserer Kinder!“

Sie müssen sagen: „Ihr seid es, die die Ressourcen unseres Landes ausbeuten, die uns bestehlen, uns hungern lassen, keine Arbeitsplätze schaffen und uns der Armut preisgeben, Ihr Machthaber der Türkei!“

Aber das die Türken? Sagen das die Mütter und Väter, die Brüder und Schwester von Opfern des schmutzigen Krieges?

Bis jetzt haben sie es nicht getan. Wir wissen nicht, wann ihnen die Augen geöffnet werden und sie die Lügner und Unterdrücker endlich erkennen und beim Namen nennen.

An dem Tag, an dem ihnen das gelingt, wäre dieses Spiel ohnehin aus und das Schicksal würde sich wenden.

PSK Bulten © 2001